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Griechenland: Wohnungsnot durch hohe Mieten

Maria Rigoutsou (aus Athen)
17. Oktober 2023

Steigende Mieten, leerstehende Häuser und stagnierende Einkommen: Immer mehr Menschen in Griechenland können sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten. Sie ziehen wieder zu den Eltern oder in Wohngemeinschaften.

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Panorama-Ansicht von Athen vom Lykavittos
Teure Metropole: In der griechischen Hauptstadt Athen leben fünf Millionen MenschenBild: Dragoslav Dedović/DW

Tausende Wohnungen stehen leer und gleichzeitweise explodieren die Mietpreise in den Großstädten: In Athen und Thessaloniki geben Arbeitnehmer nach Angaben des Panhellenischen Mieterschutzbundes rund 60 bis 70 Prozent ihres Einkommens für Miete aus.

Die Fach-Website Spitogatos berichtet, dass die Mieten zwischen 2015 und 2022 um 48,7 Prozent gestiegen sind. Im Zentrum von Athen liegt der durchschnittliche Mietpreis im Jahr 2023 bei 9,52 Euro pro Quadratmeter und in den teuren südlichen Vororten bei 11,30 Euro pro Quadratmeter.

Drei von zehn Griechen wohnen zur Miete. (Zum Vergleich: In Deutschland sind es mehr als die Hälfte der Haushalte.) Laut Eurostat sind die monatlichen Ausgaben für Miete in Griechenland höher als in Italien, Spanien und Deutschland - im Verhältnis zum Gehalt.

"Nicht die richtige Gegend für sie"

"Ich war wirklich verzweifelt, weil ich keine Wohnung finden konnte", erzählt die Athenerin Elsa der DW. "Ich hatte sogar darüber nachgedacht, meine Sachen in einen Lagerraum zu stellen, um in Ruhe weiter suchen zu können."

Da  die 48-Jährige in einem der teuren südlichen Vororte Athens arbeitet, suchte sie eine Wohnung in der Nähe ihres Büros. "Die Makler sagten mir: 'Für das Geld, das Sie haben, sollten Sie in eine andere Gegend ziehen. Das ist nicht die richtige Gegend für Sie'."

Nach acht Monaten schaffte sie es schließlich, eine Wohnung zu finden. Nun zahlt sie 900 Euro für 130 Quadratmeter - das sind zwei Drittel ihres Gehalts.

Um ihre Ausgaben zu reduzieren, hatte sie zuvor mit ihrem 15-jährigen Sohn bei ihren Eltern gelebt. Da sie mit ihrem Job in einem Buchhaltungsbüro die Miete nicht bezahlen konnte, hatte sie zusätzlich noch einen Nebenjob angenommen.

Ausweg Wohngemeinschaften 

Auch der 42-jährige Christos, der in der Gastronomie arbeitet, war 15 Monate lang auf der Suche nach einer Mietwohnung. "Es war eine der schlimmsten Zeiten meines Lebens. Das hat sich auf meine Arbeit ausgewirkt. Ich war unkonzentriert. Ich machte mir Sorgen, wo ich wohnen würde und wie ich zurechtkommen würde, wenn ich nichts Erschwingliches fände. Der Stress war endlos."

Monatelang suchte er vor und nach der Arbeit im Internet, las Zeitungen, ging zu Immobilienmaklern und lief durch die Straßen, um Mietobjekte zu finden. Nach 15 Monaten sah er zufällig eine Wohnung, die gerade frei geworden war. "Ich sprach mit dem Vermieter und bekam die Wohnung. An diesem Tag fühlte ich mich, als hätte ich den Jackpot geknackt."

Ein Mietshaus in der griechischen Hauptstadt Athen
Ein Mietshaus in der griechischen Hauptstadt AthenBild: Maria Rigoutsou/DW

Christos zahlt 380 Euro Miete für 50 Quadratmeter. "Wenn sie 450 Euro von mir verlangen würden, hätte ich kein Geld mehr, um den Strom oder andere Kosten zu bezahlen", sagt er.

Christos teilt sich derzeit das Haus mit einem Verwandten. Er schläft im Wohnzimmer, sein Verwandter, der keine Wohnung findet, im Schlafzimmer. Wohngemeinschaften waren bis vor ein paar Jahren in Griechenland fast ein Fremdwort. Aber die Lebenshaltungskosten sind stark angestiegen, und WGs gelten als Ausweg aus der Krise.

Geringe Einkommen - hohe Mieten

EU-Angaben zufolge gibt ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Griechenland 37 Prozent seines Gehalts für die Miete aus. In Großstädten wie Athen und Thessaloniki liegt dieser Prozentsatz mit 60 bis 70 Prozent noch viel höher, erklärt Angelos Skiadas, Rechtsanwalt und Präsident des Panhellenischen Mieterschutzverbandes, gegenüber der DW. 

Nach den Zahlen für 2023 von der Website Numbeo, die die Lebenshaltungskosten in Europa vergleicht, kostet eine Ein-Zimmer-Wohnung im Zentrum von London 2228 Euro, 1316 Euro in Berlin, 1291 Euro in Paris, 1003 Euro in Rom und 500 Euro in Athen. Günstig, möchte man meinen, doch viel zu viel für einen Griechen, der ein durchschnittliches Nettogehalt von 900 Euro verdient.

Attraktiver Immobilienmarkt für Ausländer

Das gute Wetter und die immer noch relativ niedrigen Kosten für Kauf und Miete von Immobilien haben in den letzten Jahren zudem viele Investoren und Touristen angezogen. Für Rechtsanwalt Angelos Skiadas sind mehrere Faktoren für die Krise verantwortlich.

Dazu gehören die Zunahme der Airbnb-Wohnungen, der Kauf von Immobilien durch Investoren aus dem Ausland und Vermieter, die ihre Einkommensverluste aufgrund der großen Wirtschaftskrise der letzten Jahre ausgleichen wollen. Hinzu kämen Nicht-EU-Ausländer, die in Griechenland hochwertige Immobilien kaufen, um ein sogenanntes "Goldenes Visum" zu erhalten, das ihnen eine Aufenthaltserlaubnis in Griechenland und ein Schengen-Visum garantiert. Diese Regelung wurden im Jahr 2013 eingeführt und im Jahr 2022 novelliert.

Die griechische Insel Santorin im Abendlicht
Griechenland lockt mit seinen traumhaften Inseln ausländische Touristen und Investoren anBild: Sarah Hucal/DW

Stratos Paradias, Rechtsanwalt und Präsident der Panhellenischen Vereinigung der Immobilieneigentümer, teilt diese Ansicht nicht. Im Gespräch mit der DW erklärt er, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz der Immobilien in bestimmten Gegenden Athens über Airbnb an Kurzzeitmieter und Touristen vermietet wird. Genaue Zahlen gebe es allerdings nicht.

Für ihn sind teure Renovierungskosten und hohe Steuern dafür verantwortlich, dass tausende von Immobilien leer stehen. Der Steuersatz liegt bei 15 Prozent für Mieteinnahmen von bis zu 12.000 Euro im Jahr bei und bei 45 Prozent für Einnahmen von mehr als 35.000 Euro pro Jahr.

Hoher Leerstand

Athen veränderte sein Aussehen hauptsächlich in den Jahren zwischen 1960 und 1980. Tausende von schönen neoklassizistischen Gebäuden wurden abgerissen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg, der bis 1949 andauerte, herrschte in Griechenland große Armut. Die Menschen suchten vor allem in Athen und Thessaloniki nach Arbeit. Sie brauchten eine Unterkunft, und so wurden schnell und ohne ernsthafte Stadtplanung Wohnhäuser gebaut.

Heute sind diese Häuser in die Jahre gekommen und marode. Viele Eigentümer können sie wegen der Wirtschaftskrise nicht sanieren. Also vermieten sie diese, verkaufen sie oder lassen sie leer stehen.

Außerdem kaufen viele Investoren aus China und den Golfstaaten Wohnungen oder sogar ganze Wohnblöcke, um das Goldene Visum zu bekommen. Sie geben sie dann an Unternehmen weiter, die diese in der Regel zu einem überteuerten Preis als Mietwohnungen anbieten.

Wohnhäuser im Zentrum von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands, im warmen Abendlicht. Zwischen den Häusern wurden antike Ruinen gefunden, die freigelegt wurden.
Mehrstöckige Wohnhäuser im Zentrum von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands Bild: Bettina Marx/DW

Angelos Skiadas sieht die Lösung für das enorme Wohnungsproblem, mit dem Athen konfrontiert ist, in einer Verlängerung der Mietverträge von drei auf mindestens sechs Jahre. Außerdem sollte die Miethöhe begrenzt werden, beispielsweise auf sechs Prozent des objektiven Wertes der Immobilie.

Rechtsanwalt Stratos Paradias hingegen favorisiert eine Senkung der Steuern auf die Mieteinnahmen, damit die Vermieter die Tausenden von leerstehenden Immobilien auf dem Markt anbieten können.

Elsa und Christos haben ihr Wohnungsproblem vorerst gelöst. Aber für Tausende andere, vor allem Studierende und junge Arbeiter, bleibt die Wohnungssuche eine Qual, und eine politische Lösung ist nicht in Sicht.

Athen und die Armut

Maria Rigoutsou | Freie Redakteurin für die DW, Griechische Redaktion
Maria Rigoutsou Journalistin in der griechischen Redaktion der DW