Davongekommen
21. September 2008Trotz verheerender Wahlniederlagen und eines historischen Umfragetiefs will sich Großbritanniens Premierminister Gordon Brown nicht geschlagen geben. Auf dem Labour-Parteitag am Wochenende ging der 57-jährige in die Offensive, um nicht als einer der unbeliebtesten und kurzlebigsten Regierungschefs nach nur 15 Monaten Amtszeit in die Geschichte seines Landes einzugehen.
Stehende Ovationen
Der Regierungschef gab sich kämpferisch und wurde mit großem Beifall belohnt. Vor den Delegierten betonte der frühere Finanzminister seine Wirtschaftskompetenz und bezeichnete sich als geeignetste Führungsfigur angesichts der aktuellen Finanzkrise. "Wenn die Menschen mich fragen, was wir zur Lösung der Probleme im Finanzsystem unternehmen, dann antworte ich in drei Worten: Was nötig ist", sagte Brown und erntete stehende Ovationen.
Kritiker hatten vor dem Parteitag eine offene Diskussion über die politische Zukunft Browns angekündigt. Wichtige Kabinettsmitglieder gaben Brown jedoch am Wochenende Rückendeckung und demonstrierten Geschlossenheit. Außenminister David Miliband, der immer wieder als möglicher Nachfolger Browns genannt wird, sagte der Zeitung "Daily Mirror", es sei an der Zeit, dass die Partei "an einem Strang" ziehe. "Ich habe klar gemacht, dass ich nicht denke, dass es der Zeitpunkt für einen Kampf um die Parteispitze ist."
"Derzeit" der richtige Mann
Auch Justizminister Jack Straw und Gesundheitsminister Alan Johnson, beide als mögliche Erben des Schotten angesehen, gaben den Rebellen eine Abfuhr. Brown sei wegen seiner wirtschaftlichen Kompetenzen "derzeit" der richtige Mann, die Partei zu führen, sagte Johnson. Zudem rief der Bruder des Außenministers, Kabinettsmitglied Ed Miliband, dazu auf, Brown den Rücken zu stärken. "Wir alle haben die Pflicht, seine Führung zu unterstützen", sagte er vor den heftig applaudierenden Delegierten. Die Parteimitglieder hätten die Verantwortung, sich auf die Probleme des Landes und nicht auf interne Streitigkeiten zu konzentrieren.
Brown versprach am Sonntag in einem Interview mit der BBC, er werde seine Arbeit "besser machen". "Sie haben mich gefragt, ob wir Fehler gemacht haben, und ich sage Ja." Brown wies jedoch Gerüchte zurück, wonach er als Parteichef von hochrangigen Kollegen infrage gestellt werde. Er habe ein "ziemlich einiges Kabinett". Auf die Frage, ob er bis Weihnachten noch Premier sei, antwortete Brown: "Ja, natürlich." Er sei der richtige Mann, um Großbritannien durch wirtschaftlich schwere Zeiten zu führen. Browns relativ schnelles Handeln in der Bankenkrise der vergangenen Woche hatte ihm nach Ansicht von Kommentatoren Pluspunkte verschafft.
20 Prozent hinter den Tories
Neue Umfragen ergaben am Wochenende dennoch ein düsteres Bild für Labour. Nach einer umfangreichen Dreimonatsstudie, die der "Observer" am Sonntag veröffentlichte, würden die konservativen Tories bei einer Wahl mehr als doppelt so viele Parlamentssitze bekommen wie Browns Partei. Nach einer anderen Umfrage der Zeitung "Daily Telegraph" lag Labour mit 24 Prozent 20 Punkte hinter den oppositionellen Konservativen. Die Sonntagszeitung "Sunday Times" veröffentlichte eine Umfrage, wonach 53 Prozent der 1200 befragten Labour-Mitglieder Brown als schlechten und entscheidungsschwachen Anführer sahen.
Der fünftägige Parteitag gilt als bisher größte Herausforderung für Brown, der sich seit Monaten in Umfragen im freien Fall befindet. Am Dienstag wird er die wohl wichtigste Rede seiner Amtszeit halten. Diese wird als entscheidend für seine Zukunft angesehen. Vergangene Woche hatten Parteirebellen eine Abstimmung über den Regierungschef gefordert.
Prominente Unterstützung kam immerhin von der Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling Rowling, die Labour eine Million Pfund (rund 1,25 Millionen Euro) spendete. Sie unterstütze vor allem Labours Arbeit gegen Kinderarmut, sagte Rowling. Rowlings Vermögen wird auf 560 Millionen Pfund geschätzt. Die Autorin ist eng mit Brown und seiner Frau Sarah befreundet. (stu)