Hoffen auf den Boom
21. Juni 2012Mit offenem Mund stehen die Deutschen vor dem Parlament Myanmars. Man könnte das Gebäude pompös nennen, vielleicht auch größenwahnsinnig. Auf alle Fälle ist es riesig in seinen Ausmaßen, größer als der Buckingham Palast und das Versailler Schloss zusammen, heißt es. Und es steht mitten im Nichts. Die Machthaber haben ihre neue Hauptstadt vor wenigen Jahren im abgelegenen, leeren Hinterland gebaut, einige hundert Kilometer nördlich von der alten. Die Astrologen hätten dazu geraten, sagt man. Die neue Hauptstadt heißt Naypyidaw, die Stadt der Könige.
Mit dem Bus geht es weiter. Die Fahrt über die Straßen mit ihren teilweise 16 Spuren ist nicht weniger surreal. Es gibt so gut wie keine anderen Autos hier, so scheint es. Jedenfalls begegnet unserem Bus keins. Und um die Straßen herum sieht man nichts als Grün. Man hat den Eindruck, als sei die Delegation aus Deutschland hier allein auf weiter Flur. Rund 40 Unternehmer, Banker, Ingenieure und Berater. Sie wollen ihre Geschäftschancen in Myanmar ausloten. Besuche in verschiedenen Ministerien stehen auf dem Programm.
Investoren stehen Schlange
Im Industrieministerium wird dann schnell klar: Die Deutschen sind ganz und gar nicht alleine zu Besuch im Land. Im Gegenteil. Im Ministerium herrscht Hochbetrieb. Die Vertreter aus Deutschland müssen lange warten. Es sei bereits die vierte Delegation, die heute ihre Aufwartung macht, entschuldigen sich die Regierungsbeamten schließlich. Und dann folgt das, was man so oft hört. Investoren seien in Myanmar jetzt herzlich willkommen, auch und gerade die deutschen. Ein neues Gesetz sei in Vorbereitung. Das werde den ausländischen Geldgebern mehr Rechte und Sicherheiten geben. Diese Worte sind wie ein Mantra hier in diesen Tagen.
Die Busfahrt geht weiter, zurück nach Rangun, der früheren Hauptstadt, die immer noch die größte und wichtigste Stadt des Landes ist. Die Fahrt über die Autobahn macht wieder mal deutlich, wie viel es zu tun gibt in Myanmar. Die Fahrbahn bräuchte dringend eine Generalüberholung, sie ist marode und rissig. Dadurch ist die Reise stressig und zieht sich in die Länge. Viel Zeit zum Plaudern.
Zum Beispiel mit Werner Zimmermann. Er produziert Farben und Beschichtungen im süddeutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Die möchte er gerne hier verkaufen. Die meisten Häuser hätten neue Farbe bitter nötig, findet er. "Irgendwie wäre das ja auch eine Möglichkeit, den Menschen in Myanmar zu zeigen, dass sich etwas verändert in ihrem Land." Eine andere Möglichkeit wäre der Bau neuer Straßen, fügt er lachend hinzu, während die nächste Bodenwelle ihn fast an die Decke des Busses katapultiert.
Nachhilfe in Demokratie
Myanmar ist eines der ärmsten Länder der Welt. Zurzeit geben sich interessierte Investoren aus dem Ausland die Klinke in die Hand, doch noch hat der Boom nicht eingesetzt. Später, im Hotel, spricht U Tin Oo, der Vizechef der politischen Opposition, zur deutschen Delegation. Er warnt vor Aktionismus und überstürzten Investitionen. Denn die würden nur den Falschen zugute kommen, den alten Machthabern und nicht den Menschen. Er fordert von der deutschen Seite Nachhilfe in Sachen Demokratie, Menschenrechte und Regierungsführung.
An Geschäftigkeit steht Rangun anderen asiatischen Metropolen nicht nach. Allerdings fehlen noch die Hochhäuser aus Glas und Stahl, die fast überall sonst in Asien wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Aber das kann sich schnell ändern. Werner Zimmermann wird das vielleicht beobachten können. Er will bald wieder nach Myanmar kommen. Um die Kontakte zu intensivieren, die er auf dieser Reise geknüpft hat.