"Hochverrat" von Umweltschützern im Iran
29. November 2018Insgesamt acht Aktivisten waren in die Fänge des Geheimdienstes der Revolutionsgarden geraten, unter dem Vorwurf, "unter dem Deckmantel des Umweltschutzes spioniert, strategische Informationen über sensible Einrichtungen gesammelt und an Ausländer weitergegeben zu haben." Vier von ihnen wurde im Oktober sogar Hochverrat vorgeworfen. "Das ist erst mal nur ein Vorwurf. Der muss anhand von Fakten bewiesen werden", erklärt Rechtsanwalt Mohammed Hossein Aghasi im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Er darf seinen Mandanten Taher Ghadirian nicht vor Gericht vertreten, denn er steht nicht auf der Liste mit 20 von der Justiz ausgewählten handverlesenen Rechtsanwälten, die dafür in Frage kommen. "Ihr Fall ist ein politischer Fall. Gerade deswegen brauchen sie unabhängige Anwälte", sagt Aghasi der DW.
Verhaftungswelle
Ende Dezember, Anfang Januar war das Regime durch landesweite spontane Protestaktionen geschockt worden, es gab über 20 Tote, bis zu 5000 Personen sollen danach verhaftet worden sein. In diese Verhaftungswelle gerieten auch die Umweltaktivisten, unter ihnen der bekannte Umweltschützer Kavous Seyed Emami, der neben der iranischen auch die kanadische Staatsbürgerschaft besaß; er war Gründer und Chef der Persian Wildlife Heritage Foundation (PWHF).
Zwei Wochen später gaben Kollegen und ein Familienmitglied seinen Tod während der Haft bekannt. Laut Behördenangaben hat er Selbstmord begangen, erhebliche Zweifel an dieser Version wurden bisher nicht ausgeräumt, seine Familie kam auch mit juristischen Mitteln nicht an weitere Informationen.
Regierung verteidigte Umweltschützer
Der Angriff der Revolutionsgarden auf die Umweltschützer steht im Gegensatz zur Politik von Präsident Hassan Rohani. Dessen Regierung hat Umweltschutz groß auf ihre Fahnen geschrieben. Die Regierung bildete eine vierköpfige Kommission, um den Fall der inhaftierten Umweltaktivisten und die Spionagevorwürfe zu untersuchen.
Der Leiter der iranischen Umweltschutzbehörde, Isa Kalantari, hat die Spionagevorwürfe von Anfang an in Frage gestellt. Im Sommer erklärte Kalantari, die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die von der Justiz erhobenen Spionagevorwürfe gegen die Umweltschützer falsch seien. Die Kommission sei zu dem Ergebnis gekommen, die Inhaftierten seien unschuldig und müssten freigelassen werden.
Die Justiz wiederum zeigte sich unbeeindruckt und warnte Kalantari davor, sich weiter in diese Fall einzumischen. "Es ging um Kritik am Missmanagement der Wasserressourcen des Landes", wie Kalantaris ehemaliger Stellvertreter Kaveh Madani durchblicken ließ.
Madani hatte seit Jahren Großprojekte wie den 2012 fertiggestellten Gotvand-Staudamm im Südwesten des Irans am Karun-Fluss kritisiert. Durch den Staudamm erhöhte sich der Salzgehalt im größten Fluss Irans sehr stark. Das salzige Wasser fließt zur Nordspitze des Persischen Golfs und hinterlässt eine Wüste in einem Teil des Landes, der ohnehin mit massiven Umweltproblemen konfrontiert ist. Die akute Wasserknappheit droht weite Landstriche im Süden unbewohnbar zu machen.
Gefährliche Kritik am Umgang mit Irans Wasserressourcen
Nun muss man wissen, dass die Revolutionsgarden nicht nur militärisch und politisch ein bedeutender Machtfaktor im Iran sind, sondern auch wirtschaftlich. Ihnen gehört zum Beispiel der Baukonzern Khatam al-Anbiya, der an vielen Infrastrukturprojekten im Iran beteiligt ist, so auch am Staudamm Gotvand. Möglicherweise haben Kritiker dieser Projekte irgendwann aus Sicht der Revolutionsgarden eine rote Linie überschritten.
Kaveh Madani war jedenfalls April für einige Stunden verhaftet worden, gab daraufhin wegen der Repressalien seinen Posten auf und verließ den Iran. Diese Möglichkeit haben die sieben Umweltaktivisten nicht: Am 22. November forderten internationale Umweltschützer aus 66 Nationen in einem offenen Brief an Revolutionsführer Chamenei ein faires Verfahren für die inhaftierten Aktivisten.