HIV-frei durch Stammzellen
13. November 2008Vor drei Jahren begab sich der in Berlin lebende Amerikaner wegen seiner schweren Leukämie in die Charité. Dass er HIV-positiv ist, wusste er da schon seit mehreren Jahren, AIDS war aber noch nicht ausgebrochen.Die Ärzte entschieden sich für eine Stammzelltransplantation, diese Therapie wrid oft gegen Leukämie eingesetzt. Dem Patienten werden dabei Stammzellen eines gesunden Spenders injiziert - die dann das kranke Gewebe ersezten.
Retteten mutierte Zellen sein Leben?
Nicht jeder potentielle Spender ist geeignet: Bestimmte Gewebemerkmale müssen mit denen des Kranken übereinstimmen, meist stehen nur ein bis fünf Spender zur Verfügung. Der Amerikaner aber hatte Glück: Gleich 60 Personen kamen in Frage. Und so kam den Ärzten eine besondere Idee: Mit der Stammzelltransplantation nicht nur den Krebs, sondern auch das HI-Virus zu bekämpfen. Sie suchten einen Knochenmarkspender, der gegen das HI-Virus immun ist.
Rund drei Prozent der Bevölkerung tragen eine Mutation im CCR5-Gen. Dieser Abschnitt der menschlichen DNA dient als Eintrittspforte für das Virus, bei einem mutierten Gen kann er nicht in die Zelle eindringen – die Zelle hat quasi ihren eigenen Torwart, der das HIV in Schach hält. "Wir haben uns gedacht: Wenn wir schon transplantieren müssen, dann suchen wir einen Spender, der diese Mutation trägt", erklärt Gero Hütter, Arzt an der Charité.
HI-Virus nicht mehr nachweisbar
Durch die Stammzelltherapie hat der 42-jährige Amerikaner nicht nur den Blutkrebs besiegt: Seit rund 20 Monaten ist beim ihm auch das HIV nicht mehr nachweisbar. Und das, obwohl der Patient wegen der Transplantation alle Medikamente gegen HIV absetzen musste.
Dass das Virus ganz verschwunden ist, davon will Hütter aber noch nicht sprechen: "Die Krankheit ist trickreich, sie kann sich gut verstecken." Auch eine Mutation, die den "Torwart" austrickse, sei möglich.
Therapie nicht für andere HIV-Infizierte anwendbar
Selbst wenn der 42-Jährige virenfrei bleibt: Dieser Erfolg ist noch lange kein Durchbruch im Kampf gegen HIV. Norbert Brockmeyer, Sprecher des Forschungsverbundes HIV warnt davor, Kranken zu viel Hoffnung zu machen: "Eine Stammzelltransplantation ist ein sehr schwerer Eingriff, mit vielen Nebenwirkungen, die sogar zum Tod führen können". Für eine erfolgreiche Transplantation muss das Immunsystem der Patienten medikamentös unterdrückt werden. 20 bis 30 Prozent schweben deshalb nach einer Verpflanzung in Lebensgefahr.
Brockmeyer bezweifelt außerdem, dass der Fall des Amerikaners auf alle HIV-Infizierten übertragen werden kann. Die vorläufige Heilung könnte auch ein Einzelfall sein: "Schon in den 90er Jahren wurden bei Patienten, die den Virus tragen, Stammzellen transplantiert – ohne Erfolg."
Trotzdem spricht auch Brockmeyer anerkennend von einem Erfolg der Berliner Ärzte: "Auf einmal sind neue Wege wieder eröffnet, von denen wir lange gedacht haben, sie würden nicht funktionieren." Der Fall des Amerikaners könnte für Forscher Antrieb sein, sich intensiver mit dem CCR5-Gen zu befassen – und noch bessere Torwarte zu finden.