Hitlervergleiche und Nazisymbole
30. September 2016"Hitler hat drei Millionen Juden massakriert. Hier gibt es drei Millionen Drogenabhängige. Ich würde sie gerne abschlachten." Ein Statement des philippinischen Staatschefs Rodrigo Duterte bei einer Pressekonferenz an diesem Freitag (30.09.) in Manila. Und eine Reaktion auf die wachsende Kritik an seiner Linie im Kampf gegen Drogen. Die USA, die EU und internationale Menschenrechtsorganisationen beobachten die Entwicklungen der vergangenen Monate mit großer Sorge. Mitte September forderten die Europa-Parlamentarier in einer Resolution, die "aktuelle Welle außergerichtlicher Hinrichtungen und Morde zu beenden".
Der Präsident allerdings zeigt sich bis jetzt davon unbeeindruckt. Und mit seiner jüngsten Äußerung macht er deutlich, dass ihm die bisherigen Schritte noch längst nicht weit genug gehen. Seit Duterte Ende Juni das Präsidentenamt in dem südostasiatischen Land übernahm, verfolgt er einen rigorosen Kurs gegen Abhängige und Dealer. Die Angaben darüber, wie viele Menschen seitdem im Zuge seiner Anti-Drogen-Kampagne getötet wurden, gehen auseinander. Die Zahlen schwanken zwischen knapp 2000 und mehr als 3000.
Viel zu wenig, wenn es nach Duterte geht. Seine Angaben zum Holocaust sind historisch falsch - während des Holocaust wurden nicht wie behauptet drei, sondern rund sechs Millionen Juden getötet. An der Aussage an sich ändert das aber nichts. Und die Botschaft, die Duterte sendet, löst Entsetzen aus: beispielsweise bei in den USA lebenden Juden. "Duterte schuldet den Opfern des Holocaust eine Entschuldigung für seine widerlichen Worte", so Rabbi Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal Center in Los Angeles. Und von Seite der "Anti-Defamation-League" heißt es, die Äußerungen Dutertes seien "unangebracht und sehr beleidigend".
Empörte Reaktionen in Deutschland
Auch in Berlin herrscht Entsetzen über die Worte des philippinischen Präsidenten. "Jeder Vergleich der einzigartigen Gräueltaten in der Shoa und im Holocaust verbietet sich", so der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. Genauso sieht es auch Thomas Gambke, der Grünen-Politiker ist Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe im Bundestag. "Jegliche Vergleiche des Holocaust in Richtung aktueller oder auch historischer Vorgänge verbieten sich im Respekt gegenüber den Opfern", so Gambke gegenüber der DW.
"Das Vorgehen von politisch Verantwortlichen - in der Bewertung sowohl historischer Vorgänge als auch aktueller Situationen - muss an den unveränderlichen Menschenrechten gemessen werden, so wie sie nicht nur in der UN Charta sondern auch in der ASEAN-Charta festgeschrieben sind." Dazu hätten sich auch die Philippinen völkerrechtlich verbindlich verpflichtet.
Hitler als positive Werbebotschaft
Skandale um die Verwendung von Nazi-Symbolen gibt es in Asien immer wieder. Doch warum es in Europa oder den USA dann solch empörte Aufschreie gibt, können viele Asiaten nicht nachvollziehen.
Vor drei Jahren hatte das "Soldaten Cafe" in der indonesischen Stadt Bandung für Schlagzeilen gesorgt. Doch erst nachdem in einer englischspachigen indonesischen Zeitung darüber berichtet wurde und sich die deutsche und israelische Botschaft sowie jüdische Organisationen eingeschaltet hatten, wurde das Cafe geschlossen. Zuvor hatten Gäste dort jahrelang unter Werbeplakaten für die Waffen-SS, Hitler-Portraits und dem nationalsozialistischen Reichsadler Gerichte wie "Nazi Goreng" bestellen können.
Auch in Südkorea wurden Nazi-Themen-Bars wie das "Fifth Reich" oder die "Hitler Techno Bar and Cocktail Show" erst nach Protesten jüdischer Organisationen geschlossen.
In Thailand ließen sich Absolventen der Elite-Universität Chulalongkorn in Bangkok mit Hitlergruß vor einem Wandbild fotografieren, auf dem Hitler neben US-Superhelden wie Captain America oder Batman zu sehen war. Auch das sorgte für einen Skandal – allerdings in erster Linie im westlichen Ausland. In Pattaya warb ein Wachsfiguren-Kabinett mit einem überlebensgroßen Hitler auf einer Plakatwand mit dem Slogan "Hitler ist nicht tot".
Bis heute werden in Thailand T-Shirts von Cartoon-Figuren mit Hitlergesicht verkauft - mal ist der Nazi-Diktator als grüner Teletubbie oder als süßer Pandabär zu sehen.
In Indien ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein fliegender Händler Werbeschilder mit Hitlerzitaten anbietet oder der nationalsozialistische Reichsadler Hakenkreuz als Logo eines Handwerksbetriebs. Hitlers "Mein Kampf" wird in Indien und anderen Ländern Asiens noch heute gedruckt und gelesen, selbst in dem jahrzehntelang weitgehend isolierten Myanmar.
"Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Indien hat bereits in den 1930er-Jahren begonnen. Geprägt war sie von einer selektiven Wahrnehmung des Regimes und einer unzureichenden Auseinandersetzung mit der Ideologie", erklärt die Historikerin Maria Framke, die sich seit vielen Jahren mit der Wahrnehmung des Nationalsozialismus in Indien beschäftigt. Daran habe sich bis heute wenig geändert, so dass der millionenfache Mord an den europäischen Juden bei der Bewertung der Nationalsozialisten auch heute kaum eine Rolle spiele. Im Gegenteil: Viele Inder würden immer noch in Hitler eine Persönlichkeit mit weitgehend positiven Eigenschaften sehen, so Framke.
Wenig Wissen über den Holocaust
Dasselbe gilt auch für andere asiatische Länder wie Indonesien. Kaum jemand in Indonesien könne sich unter dem Holocaust etwas Konkretes vorstellen, meint der Historiker Asvi Warman Adam vom indonesischen Institut für Wissenschaften. In den Schulen sei der Holocaust kein Thema. "Kritik an den Nazis und am Faschismus ist in Indonesien kaum zu hören, Hitlers 'Mein Kampf' wurde ins Indonesische übersetzt und ist oft ausverkauft."
Auch Thailands Schüler lernen nur sehr wenig über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Damals war das damalige Königreich Siam mit dem Hitler-Alliierten Japan verbündet - vielleicht sei auch das ein Grund für das Ausblenden diesen Teils der Geschichte, gibt der Politologe Thitinan Pongsudhirak von der Chulalongkorn-Universität zu bedenken.
Unterstützung aus China
Trotz aller Kritik an Dutertes Hitler-Vergleich: Der philippinische Präsident bekommt auch Unterstützung aus dem Ausland für seinen kompromisslosen Anti-Drogen-Kurs - und zwar aus China. Angesprochen auf die harte philippinische Vorgehensweise sagte Außenamtssprecher Geng Shuang bei der Regierungs-Pressekonferenz am Donnerstag (29.09.) in Peking, der Kampf gegen Drogen sei ein gemeinschaftliches Anliegen aller Länder weltweit. "Drogen sind Feinde der Menschheit. Die chinesische Regierung bekämpft sie mit eisernem Willen und klarer Politik und hat dabei sichtbare Erfolge erzielt."
Als eine der stärksten Kräfte überhaupt im Kampf gegen Drogen unterstütze China deshalb die Entwicklungen auf den Philippinen. "China versteht die Politik der neuen Regierung unter Führung von Präsident Duterte, Drogen aufs Schärfste zu bekämpfen. China möchte auf diesem Gebiet mit den Philippinen zusammenarbeiten und über gemeinsame Aktionspläne diskutieren."