Will Deutschland die Hisbollah verbieten?
28. November 2019Ist sie nicht schon verboten, die Hisbollah? Ja, der militärische Arm der der radikalislamischen Organisation darf in Deutschland nicht tätig sein. Doch die politische Arbeit der Hisbollah ist hierzulande erlaubt. Die Bundesregierung folgte damit der Auffassung der EU - sie unterscheidet zwischen militärischen und politischen Aktivitäten der Hisbollah, deren Miliz vom Libanon aus Raketen nach Israel schießt. Die schiitische Partei steht dem Iran nah und spricht Israel das Existenzrecht ab.
Doch schon bald könnte die Organisation in Deutschland komplett verboten sein. Zumindest berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die Bundesregierung plane dies. Demnach hätten sich das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium und das Justizministerium auf ein Verbot geeinigt. Ein Beschluss dazu könne schon nächste Woche auf der Innenministerkonferenz fallen. Auf Anfrage der Deutschen Welle dementiert das Innenministerium jedoch, dass ein Verbot vorbereitet werde: "Eine solche Beschlusslage existiert nicht", so Ministeriumssprecher Steve Alter. Der Sprecher weist jedoch darauf hin, "dass sich das Bundesministerium des Innern grundsätzlich nicht zu etwaigen Verbotsüberlegungen äußert, unabhängig davon ob im Einzelfall dazu Anlass besteht."
Der US-Botschafter mahnt
Schon im Jahr 2013 hatten die EU-Außenminister den militärischen Arm der Hisbollah verboten, nicht aber ihre politische Arbeit in Europa. Gegen ihre militärischen Führer können daher Sanktionen verhängt werden. Die Niederlande und Großbritannien gehen jedoch weiter: Sie sind dem Beispiel der USA und Kanadas gefolgt und haben die Hisbollah vollständig verboten.
Das sollte Berlin ebenfalls tun, hat US-Botschafter Richard Grenell immer wieder angemahnt. Er macht die Hisbollah für Terroranschläge weltweit verantwortlich. "Seit 37 Jahren ermordet die Hisbollah vom Libanon bis nach Syrien, Thailand, Bulgarien, Spanien und Argentinien unschuldige Menschen", sagte Grenell im September.
AfD fordert Verbot
Im Juni dieses Jahres hatte die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) einen Antrag zum Verbot der Hisbollah in den Bundestag eingebracht. Die Mehrheitsmeinung im Bundestag dazu war, dass man darüber diskutieren müsse, ein schnelles Verbot aber nicht in Frage komme.
Warum jedoch zögert Berlin, die Hisbollah vollständig zu verbieten und auf die Terrorliste zu setzen? Es sei wichtig, einen Dialog mit allen relevanten politischen Kräften und Parteien im Libanon weiterhin zu ermöglichen, schrieb die Bundesregierung dazu im vergangenen Sommer in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. "Dem würde derzeit ein Verbot von Hisbollah als Ganzes entgegenstehen."
Der stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff hält eine Entscheidung der Bundesregierung für "längst überfällig". Zu den Medienberichten über ein mögliches Verbot sagt er: "Der Druck aus dem Bundestag zeigt Wirkung, wo es eine breite demokratische Mehrheit für diesen Schritt gibt. Eine Unterscheidung der Hisbollah in einen politischen und militärischen Flügel entspricht nicht der Realität, da alle Fäden beim obersten Führer der Organisation Hassan Nasrallah zusammenlaufen. Nach einem Verbot in Deutschland muss sich die Bundesregierung für ein einheitliches Vorgehen der EU gegen die Hisbollah einsetzen.“
Hisbollah-Staat Libanon?
Seit Jahrzehnten hat die Hisbollah großen Einfluss auf Politik, Gesellschaft und religiöses Leben im Libanon. Sie und ihre Verbündeten sind mittlerweile stärkste Kraft im Parlament in Beirut. Auch militärisch sei die "Partei Gottes" so stark wie nie zuvor, sagen Beobachter.
Ist die Hisbollah im Libanon also ein Staat im Staat? Schließlich betreibt die Partei Kindergärten und Krankenhäuser, unterrichtet an Schulen, zahlt Renten und Sozialhilfen. Man könne noch weiter fragen, sagt der deutsche Islamwissenschaftler und Politologe Ralph Ghadban der DW: "Ist vielleicht der Libanon schon ein Staat der Hisbollah?"
Berlin, nicht Washington
Verbietet man den politischen Flügel der Hisbollah, dann würde dies die diplomatischen Beziehungen zum Libanon gefährden, argumentieren deshalb Kritiker eines Verbots. Für Kathrin Vogler, friedenspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, waren Grenells Vorstöße gar "ein Versuch, Deutschland in die gefährliche Eskalationsstrategie, die die Trump-Regierung im Nahen Osten fährt, einzubinden."
Mit einem Hisbollah-Verbot würde man keine Verbesserung der Sicherheitslage erreichen, aber Probleme bekommen, sich noch diplomatisch Gehör zu verschaffen, so Vogler im DW-Gespräch im September. "Deshalb sollte man das mit der gebotenen Deutlichkeit zurückweisen. Unsere Außenpolitik wird in Berlin gemacht und nicht in Washington."
"Mr. Hisbollah" vermittelt
US-Botschafter Grenell hatte darauf verwiesen, dass die Hisbollah jährlich Hunderte Millionen Dollar aus international eingeworbenen Geldmitteln, kriminellen Netzwerken und transnationaler Geldwäsche erhalte. Ein Vorwurf, den der libanesisch-stämmige Politologe Ghadban teilt: "Deutschland ist unheimlich wichtig für die Hisbollah", sagt er der DW. "Denn Deutschland ist ein Eldorado für die Geldwäsche."
Nach Erkenntnissen über etwaige Finanzströme der Hisbollah in Deutschland hatten Abgeordnete der FDP im letzten Jahr die Bundesregierung gefragt. In ihrer Antwort verwies diese jedoch darauf, dass ihr Wissen dazu geheim sei. Eine Veröffentlichung würde die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten gefährden, so die Bundesregierung.
Bekannt ist: Deutsche Diplomaten haben in der Vergangenheit zwischen der Hisbollah und Israel vermittelt. So etwa Gerhard Conrad, zuletzt als Chef des nachrichtendienstlichen Lage- und Auswertungszentrums der EU tätig. Er soll schon "Mr. Hisbollah" genannt worden sein wegen seiner guten Kontakte im Libanon. Mehrfach soll er den Austausch von Gefangenen zwischen der Hisbollah und Israel mit organisiert haben.
Deutsche Schiiten distanzieren sich
Der deutsche Verfassungsschutz zählt zurzeit etwa 1050 Anhänger der Hisbollah in Deutschland. Wo sind sie aktiv, wo treffen sie sich? Immer wieder wird schiitischen Moschee-Gemeinden vorgeworfen, in ihren Räumen würde für die Hisbollah geworben, etwa in Hamburg oder Münster. Von etwa 30 Hisbollah-Anhängern im Islamischen Zentrum Hamburg spricht der Verfassungsschutzbericht des Stadtstaats.
Dem widerspricht Mohammad Ale Hosseini. Er leitet die Dialogabteilung am Islamischen Zentrum Hamburg und gehört dem Vorstand des Dachverbands der schiitischen Gemeinden in Deutschland an. Man pflege "überhaupt nicht" den Kontakt zur Hisbollah, weder auf Gemeinde- noch auf Verbandsebene, sagt er der DW. "Wir sind für die Belange der schiitischen Muslime in Deutschland da. Für uns gibt es überhaupt keine Form der Zusammenarbeit mit politischen Parteien, weder im In- noch im Ausland."
Ob er für oder gegen ein Hisbollah-Verbot sei? Hier antwortet Ale Hosseini ausweichend: "Aus meiner religiösen Perspektive muss Hisbollah, also die Partei Gottes, dafür stehen, Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit Gottes auf der Welt herzustellen - ganz unabhängig davon, was in der Realität passiert."
Wenn dazu gehöre, sich gegenüber ungerechten und tyrannischen Menschen zu verteidigen, dann sollte das in den abrahamitischen Religionen zur Verantwortung der gläubigen Menschen gehören, führt er weiter aus. Aber: "Was nicht zu tolerieren ist: dass unschuldige Menschen Gewalt, Terror und Extremismus ausgesetzt sind."
Hisbollah-Flaggen am Kudamm
In der Öffentlichkeit sichtbar wird die Hisbollah in Deutschland regelmäßig am "Al-Kuds-Tag". Er findet zum Ende des Fastenmonats Ramadan statt, zuletzt am 1. Juni mit etwa 1200 Teilnehmern in Berlin. Die Hisbollah gilt als ein Organisator der anti-israelischen Kundgebung, die der iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini 1979 ins Leben gerufen hatte.
Immer wieder war an diesem Tag auch in Berlin die gelb-grüne Flagge der Hisbollah geschwenkt worden. Das hatte die Berliner Versammlungsbehörde in den letzten Jahren jedoch nicht mehr gestattet. Kommt das komplette Hisbollah-Verbot, dann wird bald auch die Organisation hinter der Flagge in Deutschland unsichtbar.