Hirndoping gegen Leistungsdruck
17. März 2015Arbeitnehmer, die zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit vorliegt – darum geht es in der neuesten Studie der DAK (Deutsche Angestellten Krankenkasse). Als "Pharmakologisches Neuro-Enhancement" wird es in Fachkreisen bezeichnet. Für den Gesundheitsreport 2015 wurden Daten von 2,6 Millionen bei der DAK versicherten Berufstätigen ausgewertet und zusätzlich 5.000 Arbeitnehmer zwischen 20 und 50 Jahren befragt. Das Ergebnis: 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung haben schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente eingenommen. Das entspricht einer Steigerung von zwei Prozent im Vergleich zu den Zahlen des Jahres 2008.
Doping abhängig von der Situation
Vier von zehn Dopern gaben an, vor allen Dingen in stressigen Situationen Medikamente und Mittel zu nehmen, um sich zu beruhigen oder die eigene Leistung zu steigern. Dazu gehören etwa Präsentationen oder wichtige geschäftliche Anlässe. Männer sind laut der Studie vor allem zielorientiert, versuchten mit gesteigerter Leistung das Optimum zu erreichen. Frauen hingegen möchten durch die Einnahme vor allem zu mehr emotionaler Stabilität kommen und dazu, dass sie den gestellten Anforderungen ohne größere Probleme gerecht werden können. Sie nehmen häufiger Mittel gegen Depressionen, Angstzustände und Nervosität.
Auch viele Studenten erliegen der Vorstellung, dass Dopingmittel zu besseren Leistungen führen und nehmen sie vor allem vor Prüfungen, insbesondere um Versagensängste und Unsicherheit zu unterdrücken.
Manager sind in der Minderzahl
Die allgemein vorherrschende Meinung, dass es vor allem Manager und Menschen in Spitzenpositionen sind, die zu leistungssteigernden und wachhaltenden Mitteln greifen, hat der Gesundheitsreport 2015 nicht bestätigt. Vielmehr kam die Studie zu dem Ergebnis, dass mehr gedopt wird, je einfacher die Tätigkeit und vor allem je unsicherer der Job.
Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten, um tagsüber gegen starke Müdigkeit anzukämpfen und gegen Konzentrationsschwäche. Vor allem jüngere Mitarbeiter greifen häufig zu Aufputschmitteln, um im Job zurechtzukommen und leistungsfähig zu bleiben. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Die Nebenwirkungen können gravierend sein. Aufputschmittel können zu Kopfschmerzen und Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen führen, letztendlich auch zur Abhängigkeit und darüber hinaus Organe schädigen. Viele Langzeitfolgen aber sind noch unklar.
Schon frühere Untersuchungen haben gezeigt: Gute Arbeitsbedingungen sind die beste Suchtprävention. Vielerorts versuchen Betriebs- und Personalräte zunehmend die psychischen Belastungen im Betrieb zu erfassen und gegen zu viel Druck und Stress vorzugehen. Schließlich hat Doping am Arbeitsplatz auch auf die Anzahl der Krankentage Einfluss. Nach Muskel-Skelett–Erkrankungen mit 22,7 Prozent sind es mit 17 Prozent vor allem psychische Erkrankungen, die dazu führen, dass Arbeitnehmer sich krankmelden. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Krankenstand leicht gesunken.
Und auch wenn Doping in der deutschen Arbeitswelt laut DAK noch kein Massenphänomen ist, so seien die Ergebnisse dennoch alarmierend.
gh/as (dpa,afp, rtr)