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Hippler: "Resolution ist ein großer Erfolg"

Stephanie Höppner 28. September 2013

Die Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrats ist ein wichtiger Schritt, meint der Politologe Jochen Hippler im DW-Interview. Er ist jedoch skeptisch, ob damit tatsächlich ein Friedensprozess in Gang gesetzt werden kann.

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Jochen Hippler (Foto: Imago)
Bild: Imago

DW: Die UN haben die erste bindende Resolution zum Bürgerkrieg in Syrien verabschiedet. Für wie wirksam halten Sie sie?

Jochen Hippler: Ich glaube, dass das ein großer Erfolg ist. Aber vermutlich wird es in dem monatelangen Prozess, bis zum Sommer nächsten Jahres die Chemiewaffen zu vernichten, Verzögerungen geben. Und dann wird es darauf ankommen, ob die USA, Russland und der Sicherheitsrat noch einmal einen Konsens finden und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. In Bezug auf die Chemiewaffen ist es also ein richtiger, sehr wichtiger Ansatz.

Wie beurteilen Sie den Passus, nach dem bei Nichteinhaltung der Resolution nicht automatisch auch ein militärischer Eingriff folgt?

Das war nach der Erfahrung, die Russland mit Libyen gemacht hat, unvermeidlich. Damals hatte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die den Schutz der Zivilbevölkerung erlaubte. Die NATO ist weit darüber hinausgegangen. Sie hat die Resolution überdehnt bis zum Sturz des Regimes. Deshalb war völlig klar, dass Russland so einen Blankoscheck nicht noch einmal ausstellen würde, sondern dass bei einer Nichterfüllung der Resolution durch das syrische Regime der UN-Sicherheitsrat neu entscheiden muss.

Dennoch finde ich das insgesamt eine positive Entwicklung, weil es in der Vergangenheit eine Tendenz gab, dass der UN-Sicherheitsrat irgendwelchen Koalitionen billige Blankoschecks ausstellte und dann jeder Einfluss der UN verloren ging. Da hatte ich immer das Gefühl, dass sich der UN-Sicherheitsrat in seiner Rolle immer selbst beschnitten hat. Insofern finde ich diese Formulierung eigentlich ganz vernünftig.

Besteht denn nicht die Gefahr, dass Präsident Baschar al-Assad das jetzt zu einer Hinhaltetaktik nutzt?

Diese Gefahr besteht. Wenn man feststellt, dass der syrische Diktator auf Zeit spielt und die vollständige Erfüllung der Resolution auf die lange Bank schiebt, dann kommt es tatsächlich darauf an, dass Russland, die USA und der Sicherheitsrat weitergehen und sich explizit auf Kapitel 7 der UN-Charta berufen. Das ist die Androhung der Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Aber es ist besser, den Prozess jetzt einzuleiten und den zweiten Schritt ins Auge zu fassen als sich auf gar nichts zu einigen und in Kauf zu nehmen, dass die Chemiewaffen möglicherweise weiter in Syrien vagabundieren.

UN-Inspektoren untersuchen den Giftgas-Angriff in einem Vorort von Damaskus (Foto: Reuters)
Die jüngsten Untersuchungen der UN-Inspektoren haben die Einigung im Sicherheitsrat beschleunigtBild: Reuters

Die Regierung in Moskau hat sich die Möglichkeit offen gehalten, ihr Veto gegen einen Militärschlag einzulegen. Macht das die Resolution nicht zu einem zahnlosen Tiger?

Bis jetzt noch nicht. Diese Resolution ist ja auf eine Art zustande gekommen, die für das syrische Regime demütigend ist. Ich will daran erinnern, dass der syrische Außenminister vor einiger Zeit nach Moskau geflogen ist, um dort mit dem russischen Außenminister über die Krise zu sprechen. Dann wurde er einfach ins Hotel zurückgeschickt, ohne ihn zu informieren, wie der Stand der Gespräche in Washington und Moskau ist. Man hat ihn dann am nächsten Tag wieder vorgeladen - und informiert, ohne ihn einzubeziehen. Und dann wurde er völlig übernächtigt vor die internationale Presse gestellt und durfte dann 'Ja' sagen, ohne tatsächlich zu wissen, was genau die Großmächte beschlossen hatten. Also da muss man schon sagen, dass auch Moskau dem syrischen Verbündeten ziemlich brutal klar gemacht hat, wer inzwischen in dieser Frage etwas zu sagen hat und wer nicht. Wenn Assad jetzt auf Zeit spielt, dann muss man mit Russland noch mal ernsthaft darüber reden, dass die Schrauben etwas angezogen werden müssen.

Inwieweit haben sich jetzt die Aussichten für einen Start des Friedensprozesses verbessert?

Gar nicht. Ich kann keinen Zusammenhang erkennen. Die Möglichkeiten für einen politischen Friedensprozess in Syrien sind in den letzten zweieinhalb Jahren kontinuierlich gesunken. Das liegt unter anderem daran, dass die Opposition und der bewaffnete Widerstand es eben nicht geschafft haben, eine einheitliche gemeinsame Position zu entwickeln. Wir haben inzwischen Hunderte autonom operierender Gruppen, von denen manche eben auch extremistische oder terroristische Ziele verfolgen und Al-Kaida nahe stehen. Andere wiederum wollen plündern und sich bereichern.

Syriens Außenminister Walid Muallem (r.) und Russlands Außenminister Sergej Lawrow (Foto: AFP/Getty Images)
Russlands Außenminister Lawrow (l.) schickt seinen syrischen Amtskollegen Muallem (r.) in Moskau vor die MikrofoneBild: AFP/Getty Images

Das heißt, einen Krieg zwischen zwei Bürgerkriegsparteien kann man nur schwer beilegen. Aber man weiß, mit wem man zu reden hat. Wenn aber zumindest die eine Seite sich völlig zersplittert hat, ist ein Verhandlungsprozess nicht mehr denkbar. Dazu kommt, dass die Internationalisierung des Konflikts dramatisch zugenommen hat, zum Beispiel durch libanesische Hisbollah-Milizen. Dadurch sind die Verhandlungsmöglichkeiten zunehmend geschwunden, weil die Zahl der Gewaltakteure exponenziell zugenommen hat.

In der Resolution wird festgehalten, dass der Einsatz von Chemiewaffen in jedem Fall eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit sei. Welche Bedeutung hat diese Formulierung?

Die Formulierung - 'Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit' - eröffnet die Möglichkeit, den Knüppel von Kapitel 7 der UN-Charta anzuwenden. Kapitel 7 bedeutet, neben der Anwendung und Androhung von Gewalt durch die UN, auch den Einsatz militärischer oder wirtschaftlicher Zwangsmittel. Aber das ist eben nach der UN-Charta an die Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit gebunden. Damit, dass diese Formulierung so in die Resolution aufgenommen wurde, wird darauf hingewiesen, dass jeder Einsatz von Giftgas diesen Tatbestand erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anwendung von Kapitel 7 der UN-Charta ermöglicht. Das ist sicherlich eine sehr positive Angelegenheit.

Jochen Hippler ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Sein regionaler Schwerpunkt ist der Nahen Osten.

Das Gespräch führte Stephanie Höppner