"Compact": Faeser verbietet rechtsextremistisches Magazin
16. Juli 2024Bundesinnenministerin Nancy Faeser, zuständig für die Sicherheit in Deutschland, ließ am frühen Morgen (16. Juli 2024) eine Pressemeldung verschicken: Sie habe das rechtsextremistische "Compact-Magazin" verboten. Ihre Begründung: "Es ist ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie."
Schon wenige Minuten bevor Faesers Stellungnahme verbreitet wurde, hatten einzelne Medien über das Vorgehen der Sozialdemokratin (SPD) berichtet. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und die öffentlich-rechtliche ARD veröffentlichten zudem Bilder von Hausdurchsuchungen der Polizei. Zu sehen war auch Jürgen Elsässer, der das publizistische Schwergewicht der rechtsextremistischen Szene 2010 gegründet hat und seitdem als Chefredakteur leitete.
Der YouTube-Kanal von "Compact" hat sehr viele Abonnenten
Im aktuellen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist dem multimedialen Unternehmen mit Sitz im Berliner Vorort Falkensee eine eigene Seite gewidmet. Demnach liegt die verkaufte Auflage der gedruckten "Compact"-Ausgabe nach Angaben der Herausgeber monatlich bei rund 40.000. Deutlich höher soll die Zahl der Abonnenten des YouTube-Kanals sein: 250.000 (Stand 2023). Im Internet ist inzwischen sogar von 345.000 die Rede.
Das Medium verorte sich selbst im sogenannten Widerstandsmilieu und wird auch von anderen Akteuren der Neuen Rechten als Teil dieses Spektrums wahrgenommen, schreibt der Verfassungsschutz: "Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein gegen das politische System."
Verbindungen zur Identitären Bewegung
Genannt werden verschwörungsideologische Erzählungen, um gegen staatstragende Institutionen und eine offene, pluralistische Gesellschaft zu agitieren. "Geschichtsrevisionistische Inhalte und antisemitische Narrative ergänzen die Agenda." Darüber hinaus bestünden Verbindungen zu rechtsextremistischen Gruppierungen wie der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) und der Regionalpartei "Freie Sachsen".
Für Innenministerin Faeser war offenbar der Zeitpunkt gekommen, um "Compact" aus dem Verkehr zu ziehen. Ihr Verbot stützt sich entscheidend auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, für den sie fachlich zuständig ist: "Das Verbot zeigt, dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen."
Innenministerin Faeser will ein Zeichen setzen
Das Signal sei ganz klar, betont Faeser: Man lasse nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehöre und wer nicht. "Unser Rechtsstaat schützt all diejenigen, die wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder auch wegen ihrer demokratischen Haltung angefeindet werden."
YouTube-Videos von "Compact" wurden oft mit reißerischen Schlagzeilen und martialisch anmutenden Bildern beworben. Ein Bericht über Auseinandersetzungen zwischen Badegästen wurde mit der Überschrift "Zu Besuch in Deutschlands brutalstem Freibad" versehen. Auf einem Standbild sind mehrere junge, dunkelhäutige Männer mit nackten Oberkörpern und aufgerissenen Mündern zu sehen.
Björn Höcke ist ein gefragter Gesprächspartner
Interviews führt "Compact" oft mit Politikerinnen und Politikern der Alternative für Deutschland (AfD). Deren Chef im Bundesland Thüringen, wo die Partei vom Verfassungsschutz schon länger als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft ist, heißt Björn Höcke. Der wurde 2024 bereits zweimal wegen der öffentlichen Verwendung einer verbotenen Parole der Nationalsozialisten zu Geldstrafen verurteilt. "Das Ganze ist für mich ein politischer Prozess", kommentierte Höcke die Gerichtsverfahren im Gespräch mit "Compact".
Innenministerin Faeser, die von Amts wegen für die deutsche Verfassung zuständig ist, stützt sich bei ihrem Verbot des rechtsextremistischen Mediums auch auf das Grundgesetz. In Artikel 9 heißt es: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten."
Jürgen Elsässer war mal Kommunist
Im Fall von "Compact" trifft es mit Chefredakteur Jürgen Elsässer einen mutmaßlichen Rechtsextremisten, der als junger Mann im linksradikalen Spektrum seine Heimat hatte. Der inzwischen 67-Jährige war Mitglied des Kommunistischen Bundes und schrieb für dessen Zeitung "Arbeiterkampf". Später arbeitete er als Journalist für mehrere linke Medien, darunter das "Neue Deutschland". Dieses Blatt war zu Zeiten der deutschen Teilung in der DDR das Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Elsässers publizistische Karriere im rechtsextremistischen Lager ist mit dem jetzt verfügten "Compact"-Verbot vorerst beendet. In mehreren Bundesländern wurden Wohnungen und Räumlichkeiten seines weit verzweigten Unternehmens durchsucht, um Vermögenswerte und weitere Beweismittel zu beschlagnahmen. Verstöße gegen das Verbot wären laut Innenministerium Straftaten.
Die Linke begrüßt das Verbot, die AfD kritisiert es
Reaktionen auf das "Compact"-Verbot fallen unterschiedlich aus. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Deutschen Bundestag, Martina Renner, begrüßt die Maßnahme: "Compact" habe sich in den Dienst der AfD gestellt und verfüge über beste Kontakte zu anderen extrem rechten Medien im Ausland. "Das Netzwerk der verfassungsfeindlichen Publizisten, rechter Millionäre und autoritärer Staaten muss ans Licht und Geldströme hinsichtlich möglicher Folgeprojekte trockengelegt werden", fordert Renner.
Ganz anders klingt die AfD-Spitze. Die vor kurzem wiedergewählten Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla bezeichnen das Verbot in einer gemeinsamen Erklärung als schweren Schlag gegen die Pressefreiheit. "Ein Presseorgan zu verbieten, bedeutet eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt." Innenministerin Faeser werfen sie vor, ihre Kompetenzen zu missbrauchen, um kritische Berichterstattung zu unterdrücken.
Thüringer Verfassungsschutz-Chef lobt das Vorgehen
Der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, begrüßte die Maßnahme. "Das Verbot ist im weiteren staatlichen Kampf gegen die rechtsextremistische Szene konsequent und dringend geboten", sagte Kramer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).