Hintergrund: Das steht in der irakischen Verfassung
14. Oktober 2005Am Samstag sind etwa 14 Millionen Iraker dazu aufgerufen, über eine eigene Verfassung abzustimmen. Dabei geht es um einen Text, der schon beim Entstehen für Aufregung gesorgt hat. Aber worüber haben Schiiten, Kurden und Sunniten so vehement gestritten, dass die UNO erst nach massiver Verspätung den Verfassungstext drucken und unter der Bevölkerung verteilen konnte?
Mit der Verfassung wird der Irak eine parlamentarische Demokratie einführen. Das Parlament, der "Rat der Repräsentanten", wird für vier Jahre bestimmt. Der Rat entscheidet mit einfacher Mehrheit über den Ministerpräsidenten, der zugleich Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee ist. Auch der Präsident wird vom Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf vier Jahre gewählt.
Föderalismus als Gefahr für Zusammenhalt des Staates?
Der Irak wird nicht zentralistisch organisiert, vielmehr räumt die Verfassung den Regionen starke Autonomie ein. Dieses Föderalismusprinzip ist ein wichtiger Streitpunkt. Es gibt einzelnen Provinzen die Möglichkeit, gemeinsame regionale Verwaltungen zu bilden, wenn dem die Bevölkerung in einem Referendum zustimmt. Ihre Verwaltungen sollen eine Exekutive, eine Legislative und eine eigene Judikative erhalten. Darüber hinaus sollen die Regionen auch in den irakischen Botschaften im Ausland vertreten sein. Den Regionen werden umfangreiche politische Rechte zugebilligt, unter anderem das Recht auf eigene Sicherheitskräfte. Es wird befürchtet, dass diese Vielzahl regionaler Rechte den Zusammenhalt des Staates gefährden könnte.
Der Irak - eine islamische Demokratie?
Nach der Verfassung sind alle Iraker gleich. Sie garantiert ihnen das Recht auf Leben und Sicherheit sowie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Die Bürger erhalten das Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre, Durchsuchungen und Beschlagnahmen werden eingeschränkt. Männer und Frauen haben dieselben politischen Rechte, einschließlich des passiven und aktiven Wahlrechts. Folter ist verboten.
Der Islam wird offizielle Religion des Irak. Die Verfassung berücksichtigt die islamische Identität der irakischen Mehrheit, garantiert gleichzeitig aber auch die Religionsfreiheit und den Schutz der Gebetsstätten aller anderen Glaubensrichtungen. Die Interpretation des Islam als "grundlegende Quelle" für das Rechtssystem könnte Folgen für die Gleichberechtigung der Frau haben: Demnach stellt der Staat die Rechte der Frauen sicher und garantiert, dass sie den Männern gleichgestellt sind. Allerdings - so hieß es in einem der Entwürfe weiter - müsse den Frauen dabei geholfen werden, "das Gleichgewicht zu finden zwischen ihren familiären und ihren gesellschaftlichen Pflichten". Darüber hinaus könnte die Religion auch über das Familien-, Ehe- und Erbrecht einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, wenn Streitfälle aus diesen Bereichen wieder vor religiösen Gerichten verhandelt würden.
Ein Staat, eine Identität?
Der Irak wird als "Teil der islamischen Welt" beschrieben und die Araber als Teil der arabischen Nation. Damit werden auch die nicht-arabischen Völker des Irak, die Kurden und die Turkmenen, in die Staatsidentität integriert. Gleichzeitig wird Kurdisch neben Arabisch zur zweiten offiziellen Landessprache aufgewertet. Sprachen von Minderheiten wie Turkmenen und Assyrern werden in Regionen, in denen sie gesprochen werden, als offizielle Sprachen akzeptiert. Die Sunniten betrachten diese Identitätskonstruktion als einen Angriff auf die arabischen Wurzeln des Staates.
Ölreichtum für alle
Die Verfassung erklärt die Erdöl- und Erdgasvorräte zum Besitz des gesamten irakischen Volkes in allen Provinzen und Regionen. Verwaltet werden die Rohstoffe von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden. Um eine ausgeglichene Entwicklung des Landes zu ermöglichen, werden bei der Verteilung der Erlöse aus dem Erdölgeschäft zunächst Regionen bevorzugt, die unter Saddam Hussein vernachlässigt wurden. Später sollen die Erlöse dann aber gleichmäßig verteilt werden.