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Hetty Berg soll die Wogen glätten

29. November 2019

Hetty Berg leitet künftig das Jüdische Museum in Berlin. Nach einem Streit um den Kurs des Museums sah sich Vorgänger Peter Schäfer zum Rückzug gezwungen. Die Berufung der Niederländerin Berg aber wird allseits begrüßt.

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Jüdisches Museum in Berlin Kreuzberg
Bild: picture-alliance/dpa

Fünfeinhalb Monate sind vergangen, seit Schäfer sein Direktorenamt niedergelegt hat. Nicht freiwillig, vielmehr beugte sich der international anerkannte Judaist heftigen Angriffen: Erst stieß eine Jerusalem-Ausstellung des Museumsauf das Missfallen der israelischen Regierung. Dann rief ein unklar formulierter Tweet, der auf Kritik an der Anti-BDS-Entscheidung (Der BDS ist eine israelischkritische Boykottbewegung, Anm. d. Red) des Bundestages verwies, den Zentralrat der Juden in Deutschland auf den Plan. Zentralrats-Präsident Josef Schuster schrieb auf Twitter, "die Leitung des Hauses habe das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft verspielt", das Museum sei "außer Kontrolle" geraten. Israelische Zeitungen sprachen dem Berliner Museum das Recht ab, sich noch "jüdisch" zu nennen.

Hetty Berg, neue Direktorin des Jüdischen Museums Berlin ab April 2020
Hetty BergBild: Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff

"Die wohl wichtigste Vakanz in der Berliner Museumslandschaft ist gefüllt", stellt die Süddeutsche Zeitung nach der Berufung Hetty Bergs erleichtert fest. Der Stiftungsrat des Jüdischen Museums unter Vorsitz von Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte einstimmig für die Niederländerin votiert. Die 58-Jährige soll ihr Amt am 1. April 2020 antreten. "Ich freue mich sehr über die Berufung", ließ Berg wissen, "und die damit verbundene hochinteressante und herausfordernde Aufgabe." Es sei ihr "eine Ehre", die Leitung des Jüdischen Museums Berlin übernehmen zu dürfen.

"Kein einfacher Posten"

"Berg tritt keinen einfachen Posten an", notiert gleichwohl der Berliner Tagesspiegel. Doch sei mit der erfahrenen Museumsmanagerin offensichtlich jemand gefunden, der das schlingernde Haus wieder auf Kurs bringen könne. Bereits 2010 kuratierte die studierte Theaterwissenschaftlerin in Berlin eine Gemeinschaftsausstellung mit den Jüdischen Museen Amsterdam und Paris mit. Berg sitzt im Vorstand der "Association of Jewish European Museums" und gilt als begnadete Netzwerkerin. In Berlin, im größten jüdischen Museum Europas, dürften sich vor allem Bergs organisatorische Erfahrungen auszahlen: In Amsterdam entwickelte sie um das Jüdische Museum herum ein ganzes Kulturquartier, das "Joods Cultureel Kwartier".

Jüdisches Museum Berlin Ausstellung Welcome to Jerusalem
Blick in den zentralen AusstellungsraumBild: Jüdisches Museum Berlin/Yves Sucksdorff

Hetty Berg, Jahrgang 1961, studierte Theaterwissenschaften in Amsterdam und Management in Utrecht. Von 1989 an war sie Kuratorin am Jüdischen Museum in Amsterdam. Seit 2002 managte sie das Jüdische Kulturviertel in Amsterdam, zu dem neben dem Jüdischen Historischen Museum auch das Kindermuseum, die Portugiesische Synagoge, das Nationale Holocaust-Museum und die Gedenkstätte Hollandsche Schouwberg gehören, ein ehemaliges Theater, das die Nationalsozialisten zum Sammelplatz für Deportationen umfunktioniert hatten.

Kontroverse um den Museumskurs

Wohl vor allem wegen ihrer Managerqualitäten holt man Hetty Berg jetzt nach Berlin. Hier wird sie nicht nur den Programmbereich verantworten, sondern auch die vor sieben Jahren eröffnete Akademie auf der anderen Seite der Lindenstraße. Auslöser der Kontroverse um ihren Vorgänger Schäfer war ein Beitrag der Pressesprecherin des Museums auf dem offiziellen Twitterkanal des Museums. Unter dem Hashtag mustread hatte sie darin auf einen Artikel in der Berliner tageszeitung verwiesen. In dem Bericht ging es um die Kritik von 240 jüdischen und israelischen Wissenschaftlern an dem Beschluss des Bundestags, die Antiisraelbewegung "Boycott, Divestment, Sanctions" (BDS) als antisemitisch zu verurteilen.

Deutschland Direktor Jüdisches Museum Berlin Peter Schäfer
Peter Schäfer Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

In dem Tweet wurde ein Satz aus dem Artikel direkt zitiert – allerdings ohne diesen in Anführungszeichen zu setzen. Kritiker fassten den Tweet deshalb als Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des staatlich finanzierten Museums auf. Zuvor schon war Schäfer vorgeworfen worden, antiisraelische Positionen zu stärken. So hatte er im März 2019 den iranischen Kulturattaché im Jüdischen Museum empfangen. Im Jahr davor war Schäfers Ausstellung "Welcome to Jerusalem" Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Dorn im Auge.

Möglicherweise glätten sich mit der Berufung Hetty Bergs die Wogen am Jüdischen Museum Berlin. Einstweilen schlugen ihr in der deutschen Hauptstadt warme Begrüßungsworte entgegen: "Mit Hetty Berg haben wir eine international erfahrene Museumsexpertin gewonnen", erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters, "sie widmet sich seit vielen Jahrzehnten der Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion." Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte: "Wir hoffen, dass das Haus mit ihr an der Spitze wieder in ruhigere Fahrwasser kommen wird."