Herzinfarkt bei Frauen - der kleine Unterschied
27. Januar 2020Dass Frauen und Männer einen unterschiedlichen Körperbau haben, ist offensichtlich. Doch die Unterschiede beschränken sich nicht nur auf die äußere Erscheinung und die Fortpflanzungsorgane. Auch was die Organe, Blutgefäße und Hormone angeht, sind Männer und Frauen in vielen Dingen unterschiedlich.
Ein wichtiges Beispiel ist das Herzkreislaufsystem - und die damit zusammenhängenden Krankheiten. Sowohl hoher Blutdruck als auch Herzprobleme gelten allgemein als männliche Krankheiten.
Aber das stimmt nicht. Herzkreislauferkrankungen sind bei Frauen über 35 weltweit die Todesursache Nummer eins. Allein im Jahr 2017 sind in Deutschland 344.524 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben. 55 Prozent davon waren Frauen.
Wieso sind Frauen für Herzkreislauf-Erkrankungen besonders gefährdet?
Trotz der bekannten körperlichen Unterschiede behandelt gerade die Medizin Männer und Frauen zu einem großen Teil, als wären sie biologisch und physiologisch völlig identisch.
Das heißt, es wird meist vom männlichen Körper als "Normalzustand" ausgegangen. Das liegt daran, dass medizinische Studien früher hauptsächlich mit Männern durchgeführt wurden. Der weibliche Körper galt wegen des monatlichen Zyklus und der damit zusammenhängenden hormonellen Schwankungen als zu kompliziert.
Erst seit 1993 gibt es in den USA die Vorschrift, sowohl Männer als auch Frauen bei klinischen Studien zu berücksichtigen.
Und erst seit Anfang der 2000er Jahre gibt es eine EU-Richtlinie, die von medizinischen Studien fordert, ein Medikament auf Unterschiede in der Wirkung zwischen Männern und Frauen zu testen.
Diese Ausgangslage führt dazu, dass über die Vorbeugung, Symptome, Behandlungsmöglichkeiten und Formen von Herzkreislauferkrankungen bei Frauen zu wenig bekannt ist.
Wie unterscheiden sich Herzkrankheiten bei Männern und Frauen?
Bei einem Herzinfarkt sind die Arterien, die das Herz mit Blut versorgen, verstopft. Das führt dazu, dass die betroffenen Bereiche des Herzmuskels nicht genügend Sauerstoff bekommen und absterben.
Bevor Frauen in die Menopause kommen, ist ihr Herzinfarkt-Risiko geringer als das von Männern. Das liegt unter anderem daran, dass sich bei ihnen weniger Plaque in den Gefäßen ablagert und die Arterien deshalb seltener verstopfen.
Lange dachte man, dass dafür hauptsächlich das weibliche Sexualhormon Östrogen verantwortlich ist. "Diese Hypothese konnte durch Studien aber nicht bestätigt werden. Ein Ersatz von Östrogen - zum Beispiel durch Hormonpflaster - zur Verhinderung von Herzinfarkten hat sich als nicht wirksam erwiesen. Frauen scheinen allerdings in jungen Jahren durch ihr Geschlecht geschützt zu sein. Ein Zusammenhang mit der Periode ist wahrscheinlich. Dafür spricht beispielsweise, dass eine vorzeitige Menopause - aber auch eine operativ bedingte Beendigung des Zyklus - das Herzinfarktrisiko erhöhen", sagt der Direktor des Deutschen Herzzentrums in München, Professor Heribert Schunkert.
Herzinfarkte treffen Frauen im Schnitt zehn bis 15 Jahre später als Männer. Nämlich im achten Lebensjahrzehnt, wenn die körperlichen Umstellungen nach der Menopause sich wirklich gesetzt haben.
Laut einer Studie in der Fachzeitschrift "Nature" ist ein Herzinfarkt bei Frauen aber nur in 50 Prozent der Fälle für ein Herzversagen verantwortlich. Genauso häufig ist die Herzmuskelschwäche.
"Eine Herzmuskelschwäche entsteht zum Beispiel als Resultat von zu hohem Blutdruck. Das Herz muss dann mehr leisten. Bei Frauen versteift sich dadurch der Herzmuskel. Das Herz pumpt zwar weiterhin gut, es kann aber nicht mehr so gut entspannen. Das führt dazu, dass sich der Innenraum des Herzen nicht mehr richtig mit Blut füllen kann", erklärt Prof. Schunkert.
Ein typisches Symptom für Herzmuskelschwäche ist Atemnot - vor allem nach körperlicher Anstrengung. Das Blut, das nicht mehr ins Herz fließen kann, staut sich zurück und drückt auf die Lungen.
Auf welche Herzinfarkt-Symptome sollten Frauen achten?
Ein typisches Symptom für einen Herzinfarkt sind starke Schmerzen in der Brust - zumindest bei Männern. Bei Frauen kann sich ein Herzinfarkt aber auch nur durch extreme Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Atemnot äußern. Das führt dazu, dass Herzprobleme bei Frauen oft zu spät erkannt werden. Von der Patientin selbst, aber auch von den behandelnden Ärzten.
Doch auch bei Frauen können drückende oder stechende Schmerzen in der Brust auf einen Herzinfarkt hindeuten.
Sie dauern länger als fünf Minuten und können in Arme, den Bauchraum, den Rücken, den Hals und sogar bis zum Kiefer ausstrahlen. Dazu kommt häufig ein Enge oder ein Druck im Herzbereich, der sich anfühlt, als würde der Brustbereich eingezwängt. Verbunden mit den Schmerzen und dem Druck ist oft auch eine starke Angst.
Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Herzinfarkte, die fast symptomlos verlaufen, die sogenannten "stillen Infarkte". Sie kommen vor allem bei Frauen und in Zusammenhang mit Diabetes vor. Denn die Zuckerkrankheit schädigt die Nerven und hemmt so das Schmerzempfinden.
Auch wenn die Anzeichen eines Herzinfarktes bei Frauen oft unspezifisch sind, bei der Attacke zählt jede Sekunde! "Vor allem wenn die Symptome heftig und in dieser Form niemals vorgekommen sind, sollte man aufpassen. Bei einer unerklärbaren schweren Übelkeit, die eventuell noch mit Atemnot gepaart ist, sollte man nicht zögern, den Notarzt zu rufen", sagt Schunkert.
Was sind Risikofaktoren für Herzprobleme bei Frauen?
Ein Hauptrisikofaktor für Herzversagen ist der Bluthochdruck. Und der ist auch bei Frauen weit verbreitet. Laut einer Studie aus den USA beginnt Bluthochdruck bei Frauen sogar früher und steigt auch stärker an als bei Männern. Dadurch sind die weiblichen Blutgefäße auf die Dauer einem höheren Stress ausgesetzt. Schon ab einem Alter von 20 Jahren sollte der Blutdruck von Frauen (und Männern) deshalb regelmäßig beobachtet werden.
Übergewicht und Bauchfett sind weitere Risikofaktoren für Herzversagen. Studien zeigen, dass Frauen, die in der Körperform mehr zum Apfel als zur Birne neigen, ein höheres Herzinfarkt-Risiko haben - selbst wenn der BMI im Normalbereich liegt. Das gilt besonders für Frauen in der Menopause.
Bauchfett steht außerdem in Zusammenhang mit dem Auftreten von Typ-2-Diabetes. Schon ein zusätzliches Kilo Fett am Bauch kann das Diabetesrisiko bei Frauen um das Siebenfache erhöhen. Das ist auch deshalb relevant, weil eine Diabetes -Typ-2 Erkrankung ebenfalls das Risiko für Herzprobleme erhöht. Dieser Zusammenhang ist bei Frauen wesentlich stärker als bei Männern.
Wie können Frauen ihr Herzkreislaufsystem stärken?
Ganz wichtig: mit dem Rauchen aufhören. Studien zeigen, dass schon eine Zigarette am Tag das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen signifikant erhöht. Und zwar bei Frauen mehr als bei Männern. In Kombination mit der Anti-Baby-Pille steigt das Herz-Kreislauf-Risiko zusätzlich an. Das gilt auch schon für junge Frauen in den 30ern.
Auch wichtig: die Bewegung. Man kann es gar nicht oft genug sagen. Der Zusammenhang zwischen zu viel Sitzen und Herzkreislauferkrankung ist durch Studien eindeutig belegt.
Dabei geht es nicht darum, einen Marathon zu laufen. Schon ein regelmäßiger Spaziergang um den Block oder erst eine Station später in den Bus einzusteigen, kann sich positiv auf das Herzkreislauf-Risiko auswirken. "Aber: Mehr hilft mehr. Wer sich fit genug fühlt, um aus dem Spaziergang einen kleinen Dauerlauf zu machen, wird mit einem aktiveren Herzkreislaufsystem und einem niedrigeren Blutdruck belohnt", so Schunkert.
Last but not least: die Ernährung. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung wirkt sich auch positiv aufs Herz aus! Frisches Obst und Gemüse in großen Mengen statt stark verarbeitete Nahrungsmittel mit hohem Kaloriengehalt.
Also, fasst euch ein Herz und tut was für eure Gesundheit. So schwer ist es nicht!