Herrlich und Tedesco unter Druck
14. September 2018Zwei Spiele, keine Punkte - die bisherige Bundesliga-Saison ist für Bayer 04 Leverkusen überhaupt nicht nach Plan verlaufen. Mit der Hypothek zweier verschenkter Partien in Mönchengladbach (0:2) und zu Hause gegen Wolfsburg (1:3), in denen Kampfgeist, Einstellung und Körpersprache über weite Strecken gar nicht passten, muss die Werkself am Samstag nun ausgerechnet zum FC Bayern (Anstoß 15:30 Uhr, ab 15:15 Uhr im DW-Liveticker). Die Münchener haben zwar bislang fußballerisch noch keine Bäume ausgerissen, stehen aber mit sechs Punkten schon wieder ganz oben in der Tabelle. Mit Sicherheit gibt es leichtere Aufgaben für Trainer Heiko Herrlich und sein Team.
Der 46-Jährige, der mit seiner Mannschaft in der vergangenen Saison die Teilnahme an der Champions League knapp verpasste, steht bereits gehörig in der Kritik. Eine Tatsache, die sein Gegenüber vom Wochenende nicht akzeptieren möchte: "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass man einen Trainer nach zwei Spieltagen in Frage stellt - egal welche Ansprüche man hat", sagte Bayern-Coach Niko Kovac. "Dass die Kritik so hoch schlägt, wundert und enttäuscht mich. Ich finde es nicht angebracht, dass man einen Trainerkollegen nach zwei Spieltagen so in eine Ecke stellt", fuhr Kovac, der früher selbst für Bayer 04 spielte, fort und warnte gleichzeitig: "Es ist ein schmaler Grat zwischen Erfolg und Misserfolg. Wir werden uns nicht täuschen lassen von den null Punkten, uns erwartet ein harter Kampf."
Aranguiz fehlt, Hradecky vor Debüt
"Die Mentalität, der Wille, die absolute Geilheit, Spiele für sich zu entscheiden und das Beste aus sich rauszuholen - das war in beiden ersten Spielen phasenweise das Problem", analysierte Herrlich die bisherigen Leistungen seiner Spieler vor der Partie am Samstag in München "Ich versuche, das vorzuleben, dass man alles schaffen kann, wenn man will. Und das erwarte ich auch von meiner Mannschaft." Die emotionale Ansprache tat Not: Das vielversprechende Projekt rund um die junge und hochbegabte Bayer-Mannschaft ist zuletzt sichtlich ins Stocken geraten.
Nun fällt in München mit Charles Aranguiz auch noch ein Spieler aus, der bei seinem Comeback nach längerer Verletzung gegen die Wolfsburger einer der wenigen war, die sich in Sachen Einsatzbereitschaft nichts vorzuwerfen hatten. "Er hat am Dienstag eine Halbzeit für Chile gespielt, musste dann aufgrund seiner alten Knie-Probleme ausgewechselt werden. Er wird uns leider nicht zur Verfügung stehen", sagte Herrlich bei der Pressekonferenz zum Bayern-Spiel. Dafür soll der aus Frankfurt verpflichtete neue Torwart Lukas Hradecky nach seiner Kiefer-OP sein Debüt für Bayer feiern. "Lukas hat zwei Spiele mit der Nationalmannschaft bestritten, einem Einsatz steht nichts im Weg", sagte Herrlich. Auch der zuletzt angeschlagene Lars Bender ist einsatzbereit.
Verliert Bayer auch das dritte Spiel, droht der Werkself der erste Sturz ans Tabellenende seit 36 Jahren. Bei den folgenden Spielen in der Europa League bei Ludugorets Rasgrad und in der Bundesliga zu Hause gegen den FSV Mainz 05 müssten dann zwingend Erfolge her, denn sonst würden auch die Diskussionen über den Trainer wieder lauter.
Tedesco: "Irgendwie geil!"
Zwei Niederlagen nach zwei Spieltagen und den Druck, endlich punkten zu müssen - das kennt auch Schalkes Trainer Domenico Tedesco. Der Coach ist vom umjubelten Vizemeister zum Krisenmanager geworden. In Mönchengladbach müssen die Schalker nun die Wende schaffen, bevor am nächsten Dienstag gegen den FC Porto das Abenteuer Champions League beginnt. "Natürlich hätten wir die ersten zwei Spiele gerne gewonnen. Es ist eine spannende Situation, irgendwie geil", freute sich Tedesco trotz der wenig erfreulichen Situation. "Jetzt können wir an den richtigen Stellschrauben drehen, um wieder die Mannschaft zu werden wie im Vorjahr. Dass wir wieder eklig sind."
Der 33 Jahre alte Coach könnte erstmals in seiner Amtszeit drei Bundesliga-Pleiten hintereinander kassieren. Dennoch bleibt er positiv: "Für mich ist das auch eine neue Situation. Wir reden nichts schön, verlieren aber nicht die Ruhe." Nach seiner Rotsperre wieder dabei ist Matija Nastasic. Er soll der Abwehr wieder mehr Stabilität verleihen. Tedesco weiß, dass sich der Kredit der Vorsaison, als er den Revierclub zur Vizemeisterschaft führte, irgendwann aufbrauchen könnte.
Noch ist das Vertrauen in den Trainer aber riesig. Die Situation sei mit der vor zwei Jahren, als Schalke mit Markus Weinzierl sogar mit fünf Bundesliga-Pleiten startete, "überhaupt nicht vergleichbar", betonte Sportvorstand Christian Heidel. "Damals war alles neu: der Trainer, der Manager, die Spieler. Jetzt sind wir eine gewachsene Einheit. Es muss sich keiner Gedanken machen, dass hier irgendjemand unruhig wird. Wir werden alles daransetzen, dass wir wieder Tore schießen und Spiele gewinnen." Vielleicht ja schon am Samstagabend in Mönchengladbach.