Islam: Stoppt die Debatte, ruft die SPD
17. März 2018Führende SPD-Politikerinnen haben gefordert, die vom neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) abermals entfachte Islam-Diskussion zu beenden. "Das ist eine acht Jahre alte Debatte, die innerhalb der Union immer noch geführt wird, aber niemanden weiterbringt", sagte Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Justizministerin Katarina Barley (ebenfalls SPD) betonte gegenüber der "Rheinischen Post", dass theoretische Debatten lange genug geführt worden seien. Es gehe darum, die Probleme praktisch zu lösen. Und Familienministerin Franziska Giffey (auch nochmal SPD) - bisher Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln - erklärte im ZDF: "Vor Ort helfen solche Debatten überhaupt nicht." Es gehe darum, ein gutes Zusammenleben zu organisieren mit Menschen unterschiedlicher Herkunft. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter - ein Mann also, der ebenfalls im Umgang mit Problemfällen erprobt sein dürfte: Der Innenminister, sagte André Schulz dem "Handelsblatt", schüre "unnötig innergesellschaftliche Konflikte und Vorurteile, die nicht zuletzt die Polizei auszubaden hat".
Im ersten Interview
Seehofer hatte in seinem ersten Interview nach der Amtsübernahme der "Bild"-Zeitung am Freitag gesagt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt." Die hierzulande lebenden Muslime gehörten aber selbstverständlich zu Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich umgehend von ihrem Minister distanziert: Deutschland sei zwar stark vom Christen- und vom Judentum geprägt, aber inzwischen lebten auch Millionen Muslime hier. "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."
Also ist auch in der Union keine ungeteilte Zustimmung zur Haltung des Mannes aus Bayern zu vernehmen. Die in Nordrhein-Westfalen für Integration zuständige CDU-Staatssekretärin Serap Güler sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Aufgabe eines Innen- und Heimatministers sei es, "die Gesellschaft zusammenzubringen, zu vermitteln und nicht zu spalten". Natürlich gebe es Tendenzen im Islam, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien, aber dann erfordere dies auch eine Differenzierung, etwa derart: "Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland, aber der Islam, an den die 4,5 Millionen Menschen in unserem Land glauben, die gehören natürlich mit ihrem Glauben dazu."
Die neue starke Frau in der SPD, Fraktionschefin Nahles, wollte es vielleicht angesichts der gerade geschmiedeten Koalition nicht zu weit treiben mit den Vorwürfen an die Adresse des Bundesinnenministers: "Ich glaube nicht, dass Seehofer die Spaltung der Gesellschaft im Sinn hat. Er hat ja auch den Koalitionsvertrag unterschrieben, in dessen Überschrift es heißt: 'Ein neuer Zusammenhalt für unser Land'", sagte Nahles. "Seehofer glaubt wohl, damit im Bayern-Wahlkampf punkten zu können." Dort wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. Hauptaugenmerk der CSU ist es dabei, die AfD klein zu halten.
Bewusst falsch verstanden?
Scharfe Kritik an Seehofer übte Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir. Christen, Juden, Muslime und andere wie Atheisten lebten überwiegend gut zusammen. "Damit gehören auch ihre Weltanschauungen, Religionen und Konfessionen zu unserem Land. Frauen- und Schwulenfeindlichkeit, Befürwortung von Gewalt und Hassprediger haben dagegen bei uns nichts zu suchen", sagte Özdemir der "Bild".
Seehofer bemühte sich unterdessen, in die Offensive zu kommen. "Die SPD sollte lieber mithelfen, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden", sagte der Minister in einem weiteren Interview, diesmal der "Welt am Sonntag". Außerdem sprach sich Seehofer für "mehr Gelassenheit" bei diesem Thema aus. In der Zwischenzeit waren mehrere Unionsfreunde dem CSU-Chef angesichts des ganzen Gegenwinds rhetorisch zu Hilfe gekommen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Deutschland ist ein christliches Land. Unsere Kultur, unsere Werte und unsere Rechtsordnung sind christlich geprägt." Mit Blick auf die Kritik an Seehofer fügte Dobrindt hinzu: "Wer ausspricht, was die überwältigende Mehrheit in unserem Land denkt, der spaltet nicht - der führt zusammen."
ml/as (dpa, AFP)