Heroin als größter Feind
16. April 2004Die ehemalige britische Kolonie Birma, 1989 in Myanmar umbenannt, ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges durch innerstaatliche Konflikte geprägt. In der Hauptstadt Rangun stößt die Militärregierung auf einen immer mächtigeren Gegner - die demokratische Bewegung, die 1990 die ersten freien Wahlen des Landes gewann, aber nie eine Regierung bilden durfte. Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi wird seit dem Wahlsieg ihrer Partei immer wieder inhaftiert. Deshalb wird die Weltöffentlichkeit regelmäßig auf ihre Situation aufmerksam.
Währenddessen bleibt aber der Krieg der Minderheiten weitgehend unbeachtet. Trotz einiger Waffenstillstands-abkommen hat sich die Lage vor allem im Grenzland zu Thailand keineswegs entspannt. Der Einsatz von Minen, Zwangsarbeit, Exekutionen und Vergewaltigungen hat bereits eine Million Menschen zur Flucht veranlasst, über 300.000 wurden in Thailand aufgenommen. Nach Angaben der Organisation Human Rights Watch gibt in Myanmar die meisten Kindersoldaten weltweit. Ihre Zahl wird auf 70.000 geschätzt.
Weg in den Sozialismus
Seine Anfänge hat der Konflikt bereits in der Kolonialzeit: Das Land war in ein homogenes "Inner-Burma" und das "Outer-Burma" der ethnischen Minderheiten gespalten. Während die verschiedenen Minderheiten nach Ende des Zweiten Weltkrieges Souveränität für ihre Regionen forderten, strebten die Birmanen des inneren Burma mehrheitlich die Gründung eines Staates an, der auch "Outer-Burma" umfassen sollte. General Aung San gründete schließlich eine Birmanische Union, in der Minderheitsrechte den einzelnen Regionen große Freiheiten zusprachen. Dennoch kämpften die ethnischen Minderheiten in den peripheren Gebieten weiterhin um mehr Selbstbestimmung.
1962 übernahm General Ne Win die Macht in Birma und setzte den Sozialismus als neue Staatsform durch. Die Politik wurde in der Folgezeit durch die Einheitspartei "Burma Socialist Programme Party" (BSPP) geprägt. Studentische Demonstrationen gegen die BSPP im Jahr 1988 führten schließlich zum Rücktritt von Diktator Ne Win. Daraufhin brachen Massenunruhen im Land aus, die durch die Armee brutal niedergeschlagen wurden. Die Streitkräfte übernahmen die Regierungsgewalt und versprachen freie Wahlen. Wenige Monate später wurde das Land umbenannt in Myanmar.
Militärregime statt Demokratie
Bei den Wahlen erhielt überraschend die oppositionelle "National League for Democracy" (NLD) über 80 Prozent der Parlamentssitze. Das Militär erkannte die Wahlergebnisse aber nicht an und stellte die NLD-Führerin Aung San Suu Kyi, Tochter des Staatsbegründers von Birma, unter Hausarrest. Als Regierungsorgan fungiert stattdessen ein Rat, in dem die führenden Militärvertreter Platz nehmen.
Im Jahr 2000 nahm der Regierungsrat erstmals direkte Gespräche mit der NLD auf und machte einige Zugeständnisse an die Demokratie: Die NLD durfte in 50 ihrer ehemals 500 Parteibüros die Arbeit wieder aufnehmen. Außerdem wurden 450 politische Gefangene aus der Haft entlassen. Am 30. Mai 2003 wurde diese Phase der Entspannung allerdings durch die erneute Verhaftung von Aung San Suu Kyi beendet. Sie wurde im September 2003 wieder in den Hausarrest entlassen, aber 1.000 politische Gefangene sind noch in Haft. Zwar verkündete das Militärregime inzwischen ein Programm zum demokratischen Fortschritt, konkrete Schritte wurden aber nicht eingeleitet.
Revolution endet im Drogenkrieg
Die militärische Staatsführung bemühte sich aber um eine Annäherung an die revolutionären ethnischen Minderheiten in den äußeren Regionen Myanmars. Mitte der 1990er Jahre konnten Waffenstillstandsabkommen mit 17 von 20 Rebellengruppen ausgehandelt werden. Darin wurden den Vertragspartnern weitgehende Selbstverwaltung zugestanden. Allerdings sind die Abkommen umstritten: Sie sind an die Erlaubnis der Heroin- und Opiumproduktion gebunden, meist die einzige finanzielle Grundlage in den Regionen. Die Regierung fördert diese desolate Situation noch, indem sie Abgaben von der Bevölkerung fordert, wofür die Bauern aber nur durch die Gewinne aus dem Drogenhandel aufkommen können.Der Drogenschmuggel hat sich vor allem im Grenzgebiet zu Thailand zu einem wichtigen Faktor in den kriegerischen Auseinandersetzungen entwickelt. Hier kämpfen die "Karen National Union" (KNU) und die "Shan State Army" (SSA) nicht mehr nur um Unabhängigkeit ihrer Volksgruppen, sondern auch um die Kontrolle über den Opiumanbau. Ihnen tritt als Verbündeter der Regierung die "United Wa State Army" (UWSA) entgegen, die gegenwärtig zu einem der mächtigsten Drogensyndikate aufgestiegen ist. Friedensgespräche zwischen den Rebellen und der Regierung fanden bisher nicht statt.