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Hepatitis C: Heilung um jeden Preis?

Louise Osborne und Elke Opielka / wf11. Juni 2015

Weltweit sind circa 170 Millionen Menschen mit Hepatitis C infiziert. Da die Krankheit tödlich verlaufen kann, brauchen sie dringend Hilfe. Für sie gibt es jetzt Hoffnung. Doch das neue Medikament ist teuer.

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Bild: DW

James Jensen war erst vier Jahre alt, als er sich mit Hepatitis C infizierte. Dass der 61-Jährige die tödliche Krankheit in sich trägt, wurde allerdings erst 55 Jahre später festgestellt. Jensen versuchte es mit den verschiedensten Behandlungen, jedes Mal mit wenig Erfolg.

Dann kam Harvoni auf den Markt. Die Heilungschancen des neuen Medikaments liegen bei über 90 Prozent. Allerdings kostet die 12-wöchige Behandlung in den USA bis zu 100.000 US-Dollar. Anfangs weigerte sich Jensens Krankenversicherung, dafür aufzukommen. "Das fühlte sich an wie ein Todesurteil. Schließlich kann die Krankheit auch tödlich verlaufen", erzählt er im Interview mit DW. "Ich hatte und habe immer noch Angst."

Jensen ist immer noch in Behandlung, aber er darf sich glücklich schätzen: Nachdem er monatelang Anträge an seine Versicherung schickte, bekam er schließlich das neue Medikament. Doch andere haben nicht so viel Glück, vielen Versicherungen, aber auch Regierungen, ist das Medikament schlicht zu teuer.

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James Jensen wurde in den USA mit Harvoni behandelt.

Der schleichende Tod

Entwickelt von Gilead Sciences, steht Harvoni im Mittelpunkt einer Diskussion um explodierende Medikamentenpreise. Dabei geht es neben Hepatitis C auch um die Behandlung von Krebs, Multiple Sklerose oder Herzleiden. Während viele der teueren Medikamente für eher seltene Krankheiten entwickelt wurden, geht es bei Hepatitis C um Hilfe für bis zu 150 Millionen Menschen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr weltweit 500.000 Menschen an den von Hepatitis C verursachten Leberschäden.

Die Krankheit schlummert oft jahrzehntelang unentdeckt im Körper. Währenddessen greift das Virus die Leber an, kann zu Leberzirrhose und sogar zu Leberkrebs führen. Häufig wird es durch mangelhafte Bluttransfusionen, Injektionen und seltener auch beim Geschlechtsverkehr übertragen. Meistens haben die Patienten zunächst gar keine Beschwerden, wenn die Krankheit dann festgestellt wird, ist die Leber aber bereits schwer geschädigt.

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Laut WHO muss oft das gesamte Gesundheitssystem neu auf die Behandlung von Hepatitis C abgestimmt werden.

Bis vor kurzem konnte man Hepatitis C nur mit einer Interferon-Alpha-Therapie behandeln. Die Behandlung dauert mindestens ein Jahr, manchmal auch länger, und ist mit Nebenwirkungen ähnlich wie bei einer Chemotherapie verbunden. Dazu gehören unter anderem Müdigkeit, Brechreiz, Depressionen und Haarausfall.

Das Nachfolgemedikament des älteren Gilead-Medikaments Sovaldi nennt die WHO eine "medizinische Revolution" - nur eine Pille am Tag und die Krankheit ist in den meisten Fällen nach acht bis zwölf Wochen ausgestanden. Aber für den Großteil der Erkrankten in ärmeren Ländern ist das Medikament unerschwinglich.

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Stefan Wiktor: "Neue Medikamente werden immer teurer."

"Es gibt eine allgemeine Tendenz zu immer teureren Medikamenten", sagt Stefan Wiktor, Leiter des WHO Hepatitis C Programms. "Es kommt nicht oft vor, dass ein Medikament so viel besser ist als sein Vorgänger, aber es ist trotzdem nicht richtig, den Preis so hoch anzusetzen. Menschen sterben, und alles nur, weil die Tabletten so teuer sind."

Eine Preissenkung "reicht nicht"

Gilead hat, wie viele andere Pharmakonzerne, mit einem abgestuften Preissystem reagiert. Wie viel das Medikament kostet, hängt von der Wirtschaftsleistung eines Landes ab. Das bedeutet: höhere Preise in Europa und in den Vereinigten Staaten, in ärmeren Ländern bezahlt man weniger. Ägypten hat mit 14,7% der Bevölkerung die höchste Infektionsrate weltweit. Hier soll das Medikament 900 US-Dollar kosten.

"Das ist nur ein Bruchteil des amerikanischen oder europäischen Preises", sagt Norbert Bischofberger, Forschungsvorstand bei Gilead. "Wir denken, das ist der richtige Weg." Das Biotechunternehmen mit Sitz in den USA hat das Medikament Sovaldi gerade für die Generika-Produktion in Indien lizensieren lassen. So will man garantieren, dass das Medikament in Zukunft in 91 Entwicklungsländern zu einem geringeren Preis zu bekommen ist.

"Wir tun unser Bestes, um das Medikament in allen Ländern der Welt zugänglich zu machen." fügt Bischofberger hinzu. "Das ist unsere Philosophie, am Ende wird jeder das Medikament bekommen, der es benötigt."

Trotzdem sei der Preis für das Medikament in Ägypten, wo das Jahres-Durchschnittseinkommen bei 3.140 US-Dollar liegt, immer noch viel zu hoch, sagen Kritiker. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die Produktionskosten des Medikaments ansieht.

Es gibt Untersuchungen die besagen, dass selbst bei vorsichtigen Berechnungen die Herstellungs-Kosten unter 200 US-Dollar liegen. Da ist noch viel Luft, mit dem Preis nach unten zu gehen", meint Wiktor.

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Bild: DW

Gewinne gehen durch die Decke

Das von Pharmakonzernen wie Gilead stets ins Feld geführte Argument für hohe Preise sind die Kosten für die Forschung. Aber bei den steigenden Gewinnen dürfte es künftig schwierig werden, das der Öffentlichkeit glaubhaft zu vermitteln.

Der Wirkstoff, der Sovaldi und Harvoni zum Wundermittel macht, heißt Sofosbuvir und wurde ursprünglich von der Firma Pharmasset entwickelt. Gilead erhielt die Rechte an dem Stoff, als der Konzern Pharmasset 2011 für 11 Milliarden Dollar übernahm. Damals wurde der Kauf als Wagnis gesehen. Heute kann man sagen: Das Geschäft hat sich gelohnt.

Mit der Zulassung von Sovaldi und später auch von Harvoni, sind Gileads Umsätze im Jahr 2014 auf 24,8 Milliarden Dollar gestiegen. Die Gewinne der Firma lagen bei 12,1 Milliarden und haben sich damit zum Vorjahr vervierfacht.

Hepatitis C ausrotten

Gilead würde es gerne sehen, wenn Hepatitis C in den nächsten 15 bis 20 Jahren ausgerottet werden könnte. Experten halten das, angesichts der Wirksamkeit der Medikamente zumindest theoretisch für möglich. Allerdings wissen viele Menschen gar nichts von ihrer Infektion. Deshalb muss großflächig auf das Virus getestet werden, um zu verhindern, dass sich die Menschen überhaupt erst anstecken.

"Das ist ein historischer Wendepunkt: Jedes Mal, wenn es bei der Wirksamkeit eines Medikaments einen so großen Sprung nach vorn gibt, wird das Problem erst in seiner ganzen Tragweite sichtbar", sagt Stefan Wiktor von der WHO. "Wir müssen wirklich sehr viel mehr Tests machen und das ganze Gesundheitssystem darauf vorbereiten, wie sie an diese Medikamente kommen, wie sie Kranke erkennen und wie sie die Medikamente verabreichen. Daran arbeiten wir. Es muss also noch viel mehr passieren, als dass nur die Preise sinken."