Barbie hört mit
9. November 2015Barbie war fortschrittlichen Eltern schon immer ein Dorn im Auge. Bisher ging es Kritikern meist um das unnatürliche Schönheitsideal, das jungen Mädchen mit der mageren Puppe vorgesetzt wird. Doch jetzt gibt es noch ganz andere Sorgen: die neue "Hello Barbie" von Mattel kann mit Kindern reden - und zeichnet auf, was die Kleinen ihr erzählen. Eine innovative Idee oder ein Abhörskandal im Kinderzimmer?
Die neue "beste Freundin"
Mattel stellte die neue Puppe erstmals auf einer Spielzeugmesse im Februar in New York vor. An diesem Dienstag geht "Hello Barbie" in den USA in den Verkauf - rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft. Michelle Chidoni, Sprecherin für Mattel in Kalifornien, sagt, dass Mädchen sich schon immer gern mit ihren Barbies unterhalten wollten. Das mache die neue Technologie jetzt möglich. Kein stummes Puppenspielen mehr - "Beste Freunde haben sich so viel zu erzählen!", so ein Slogan im Werbevideo des Herstellers, der Barbie schon als Ersatz für Spielkameraden darstellt.
Die Spielzeugfirma hofft, dass viele Eltern trotz des happigen Preises von knapp 75 US-Dollar (knapp 70 Euro) die Puppe ihren Kindern unter den Weihnachtsbaum legen werden.
Mattel könnte das Geld gut gebrauchen. Die Konkurrenz-Puppen Elsa und Anna aus dem Disney-Film "Frozen" haben barbie den Rang abgelaufen. Das Online-Wirtschaftsmagazin fortune.com berichtet, dass Mattels Umsatz im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf eine Milliarde Dollar sank.
Um richtige "Unterhaltungen" mit der neuen Puppe zu führen, braucht man W-Lan. Den komplizierten Anmelde-Prozess inklusive Online-Account und weiteren Schritten erklärt Mattel ebenfalls im Werbevideo. Nachdem die Eltern alles vorbereitet haben, kann es losgehen.
Um mit "Hello Barbie" zu sprechen, muss das Kind einen Knopf auf Barbies Gürtel drücken. Nur dann wird aufgezeichnet. Die Frage des Kindes wird an einen Server von Mattel gesendet, wo dann aus voraufgezeichneten Antworten eine passende ausgesucht wird, die Barbie wiedergibt. In einem Beispielgespräch erzählt eine Mitarbeiterin der Barbie, dass sie gerade auf einer Bühne stehen. Später folgt die Frage: "Was könnte ich einmal werden, wenn ich groß bin?" Barbie antwortet: "Du stehst gern auf der Bühne. Also vielleicht Tänzerin, oder Politikerin - oder tanzende Politikerin!"
Das Gespräch wird gespeichert, laut Spielzeughersteller, damit sich die Puppe später "erinnern" kann, worüber das Kind gesprochen hat, und damit ausgefeiltere Antworten für die Interessensgebiete des Kindes geschrieben werden können. Eltern können sich die Audiodateien auch per Email zusenden lassen. Viele Kritiker finden diese Funktionen erschreckend. Sie nennen die neue Puppe "Abhör-Barbie".
"Wenn ich ein kleines Kind hätte, wäre ich sehr besorgt darüber, dass die persönlichen Dinge, die sie ihrer Puppe erzählt, aufgenommen und analysiert werden", sagte Angela Campbell, Professorin und Beraterin des "Center on Privacy and Technology" an der Georgetown Universität, im Gespräch mit Aktivisten der "Kampagne für eine werbefreie Kindheit."
Barbie könne viele Fragen stellen, die Kinder dazu brächten, detaillierte und persönliche Informationen preiszugeben. "Diese Informationen wären von großem Wert für Marketingexperten und könnten dazu genutzt werden, Werbung genau auf Kinderwünsche zuzuschneiden."
Worauf Campbell hinaus will, wird am besten an einem Beispiel klar: Viele kleine Mädchen erzählen "Hello Barbie", wieviel Spaß es ihnen macht, Barbies Haare zu frisieren und dass sie Friseurin werden möchten, wenn sie groß sind. Nach einigen Monaten sehen die Kinder dann erstaunlicherweise Werbung für einen Barbie-Haarsalon im Fernsehen - und werden natürlich versuchen, ihre Eltern davon zu überzeugen, diesen zu kaufen.
So weit wird es nie kommen, sagt Oren Jacob, Leiter von Mattels Partnerfirma ToyTalk. "Die Daten werden nie für irgendetwas genutzt werden, das mit Marketing, Werbung, oder ähnlichem zu tun hat", sagte er der Washington Post.
Kritiker überzeugt das nicht. Die Regeln zur Privatsphäre von ToyTalk seien sehr vage, sagen sie - und selbst, wenn sich der Hersteller an die von Oren genannten Regeln hält, könnten die Mattel-Server ja gehackt werden. Dann jedoch stünden die Informationen der Kinder Fremden zur Verfügung, die vielleicht sogar Barbies Antworten beeinflussen könnten.
Die "Kampagne für eine werbefreie Kindheit" hat deshalb eine Unterschriftenkampagne gegen "Hello Barbie" gestartet. Online läuft sie unter "Hell No Barbie". Kampagnen-Leiterin Susan Linn fand beim Start der Kampagne klare Worte gegen die Puppe:
"Die Kinder, die mit 'Hello Barbie' spielen, reden nicht nur mit einer Puppe," so Linn. "Sie sprechen direkt zu einem Großkonzern, dessen einziges Interesse an Kindern finanzieller Natur ist." Ob das die Barbie-Fans in den Kinderzimmern abschrecken wird? Mattel ist überzeugt, dass die Sprechpuppe ein erfolg wird. Schon jetzt gibt es zahlreiche Vorbestellungen für "Hello Barbie".