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Heißt Daten speichern Terroristen fassen?

Oliver Ilan Schulz21. September 2005

Für bessere Fahndungsmöglichkeiten sollen in ganz Europa einheitlich Telekommunikationsdaten gespeichert werden. Das sieht ein Vorschlag der EU-Kommission vor. Datenschützer sind alarmiert.

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Telefonieren und Surfen, alles kann zurückverfolgt werdenBild: BilderBox

Das Überprüfen von Handy-Verbindungen führte 2004 zur Festnahme der Attentäter von Madrid. Nun ringt die EU um eine einheitliche Regelung für die Speicherung von Telefon-, Standort- und E-Mail-Daten. Am Mittwoch (21. September 2005) legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Terrorismusbekämpfung vor. Die EU-Kommission will Daten über Telefonverbindungen künftig ein Jahr lang speichern. Die Daten des E-Mail-Verkehrs sollen für sechs Monate aufbewahrt werden, wie der zuständige EU-Justizkommissar Franco Frattini in Brüssel weiter erläuterte. Inhalte und Verbindungsdaten über im Internet abgerufene Informationen werden nicht gespeichert. Weitergabe und Schutz der Daten sollen unter Aufsicht der nationalen Einrichtungen stehen. Dem Vorschlag der EU-Kommission müssen die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament zustimmen.

Zwiespältiger Kommission

Der Europa-Abgeordnete Alexander Alvaro sieht das Papier der Kommssion mit gemischten Gefühlen. Auf Anfrage von DW-WORLD erklärte der FDP-Politiker und Berichterstatter des Parlaments zur Datenspeicherung im Vorfeld der Entscheidung, dass die Kommission noch mehr Daten speichern wolle als im ursprünglichen Vorschlag der britischen Ratspräsidentschaft vorgesehen. Er bemängelte darüber hinaus die Schaffung eines neuen Expertengremiums bei der Europäischen Kommission, das entscheiden soll, ob künftig mehr oder weniger Daten gespeichert werden: Es unterliege keinerlei parlamentarischer Kontrolle. Der Kommissionsvorschlag enthalte aber auch einige positive Punkte. Erstmalig werde festgelegt, dass die Wirtschaft eventuelle Mehrkosten erstattet bekomme, auch wenn die Regelung den Mitgliedstaaten überlassen werde. Zudem wolle die Kommission eine regelmäßige Evaluierung durchführen, ob die Erfassung der Daten nützlich sei.

Kosten und Nutzen der Datenspeicherung

Heiner Busch, Redakteur der deutschen Zeitung "Bürgerrechte und Polizei" und Vorstandsmitglied des Komitee für Grundrechte in Köln, das sich für die Wahrung von Bürger- und Menschenrechten einsetzt, kritisiert das EU-Vorhaben grundsätzlich: "Die präventive Kontrolle bringt keinerlei Effizienznachweis, höhlt aber zugleich das Telekommunikationsgeheimnis aus. Diese Diskussion hat schon vor den Anschlägen des 11. September begonnen, sie hat also weniger etwas mit Terrorismusbekämpfung als mit einer Automatisierung der Telekommunikationsüberwachung zu tun."

Außerdem nennt Busch praktische Probleme. Die Provider müssten riesige Datenmengen speichern. In der Schweiz hätten mittelständische Provider rund 300.000 Euro und große Provider das Doppelte investieren müssen. Dadurch bestehe wiederum die Gefahr, dass Provider zur Kostendämpfung noch mehr E-Mail-Adressen für Werbezwecke verwendeten, sie also verkauften. Noch mehr unerwünschte E-Mails wären wohl die Folge. Der Europa-Abgeordnete Alvaro ergänzt, die freiwillige Zusammenarbeit mit Telefongesellschaften etwa in Deutschland und Großbritannien funktioniere sehr gut. Auch aus den Kontakten mit Strafverfolgern ergebe sich ein geteiltes Echo. Viele hielten die gegenwärtige Praxis für ausreichend.

Kampf um Kompetenzen

Die Diskussion in Brüssel findet vor dem Hintergrund eines Kompetenzkampfs zwischen den EU-Institutionen statt. Dabei geht es darum, wer zukünftig an den Entscheidungen zur Terrorbekämpfung beteiligt ist. Würde nach dem Kommissionsvorschlag verfahren, könnte das Europäische Parlament in dieser Frage mitentscheiden. Ursprünglich wollte der Innen- und Justizminister einen Rahmenbeschluss der Mitgliedsstaaten herbeiführen - ohne Parlamentsbeteiligung. Dadurch sollte eine schnelle Verabschiedung gewährleistet und eine Aufweichung der Maßnahmen verhindert werden. Allerdings konnten sich die Minister bei einem informellen Treffen am 8. September 2005 nicht einigen. Die derzeitige britische Ratspräsidentschaft hatte zuletzt vorgeschlagen, Verbindungsdaten von Telefonanrufen, E-Mails und auch nicht zu Stande gekommenen Anrufen mindestens für 12 Monate und bis zu drei Jahren zu speichern.

In Deutschland werden Daten bisher zu Abrechnungszwecken gesichert. In der Praxis verfahren die Betreiber dabei unterschiedlich. Manche speichern beispielsweise die Nummern nur so weit, wie es für die Unterscheidung von Ortsgesprächen und Ferngesprächen notwendig ist. Die Polizei hat dann sechs Monate lang Zugriff auf die Daten. Bundesinnenminister Schily befürwortete eine Speicherung von mindestens einem Jahr.

Bedenken und Abwarten in den nationalen Parlamenten

Das Europäische Parlament hatte schon im Juni 2005 frühere Pläne des Rats abgelehnt. Der deutsche Bundestag und das niederländische Parlament äußerten bezüglich des Datenschutzes ebenfalls Bedenken. Unter dem Eindruck des 11. September hat das dänische Parlament 2002 zwar den "Administration of Justice Act" beschlossen, der eine Speicherung von Verbindungsdaten von 12 Monaten erlaubt. Dort wartet man aber, wie in anderen EU-Staaten auch, mit der administrativen Umsetzung des Gesetzes auf die EU-Richtlinie.