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Heiner Klinkrad: "Es hat uns alle überrascht!"

Judith Hartl15. Februar 2013

So etwas gab es noch nie. Ein Asteroid, der knapp an der Erde vorbeischrammt und ein spektakulärer Meteoriteneinschlag in Russland am selben Tag. Einen Zusammenhang sehen Weltraumexperten aber nicht.

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Heiner Klinkrad, Leiter des ESA-Büros für Weltraumrückstände (Foto: ESA)
Bild: ESA/J. Mai

DW.DE: Herr Klinkrad, wie überrascht waren Sie, als Sie vom Einschlag des Meteoriten über Russland hörten?

Prof. Heiner Klinkrad: Ich war sehr überrascht!! Wir haben den Asteroiden 2012 DA14 im Blick gehabt, der sehr nahe an der Erde vorbeifliegen würde - und ich habe nie damit gerechnet, dass am gleichen Tag so etwas passieren würde, wie dieser Meteoriteneintritt über dem Ural.

Könnte dieses Ereignis in Verbindung stehen mit dem erdnahen Asteroiden-Vorbeiflug?

Nein, es war purer Zufall. Ich glaube, einen Zusammenhang der beiden Ereignisse können wir nahezu ausschließen.

Warum?

Weil die Flug-Geometrie vom Eintritt des Meteoriten überhaupt nicht mit der Bahn des Asteroiden 2012 DA14 zusammenpasst.

Kann man Meteroiten-Einschläge denn vorhersagen?

Meteoriten sind eigentlich Asteroiden. Sie heißen erst dann Meteoriten,  wenn sie in die Erdatmosphäre eintreten und zum Teil den Erdboden erreichen. Solange sie sich im Weltraum bewegen, gehören sie zur Familie der Asteroiden.

Und Asteroiden beobachtet die Europäische Raumfahrtagentur ESA?

Das machen wir. Aber wir sind nicht in der Lage, sämtliche Asteroiden zu betrachten und zu verfolgen. Das funktioniert bestenfalls für größere Objekte. Wir versuchen, einen Katalog für Objekte zu erstellen, die größer sind als ein Kilometer - denn die können erhebliche Verwüstung anrichten.

Illustration eines gewaltigen Meteoriten-Einschlags auf der Erde (Quelle: dpa)
Der Einschlag eines Riesen-Meteoriten war für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich. Er soll einen Durchmesser von etwa 15 Kilometern gehabt habenBild: picture alliance/dpa

Wie groß war der Meteorit, der über Russland abstürzte?

Wir schätzen, dass er etwa fünf Meter groß war.

Wenn er nicht explodiert wäre, hätte er dann noch größeren Schaden anrichten können?

Nein. Im Allgemeinen ist es so, dass Meteoriten, die in einem Stück runterkommen, weniger Schaden anrichten als wenn sie explodieren. Das Problem ist - auch wenn diese Objekte nur einige Meter groß sind, sind sie beim Eintritt in die Erdatmosphäre sehr starken Aufheizungseffekten ausgesetzt. Bei einem Nickel-Eisen-Meteoriten beginnt das Metall zu schmelzen und Bruchstücke fallen auf den Boden. Ein kleinerer Steinmeteorit, wie wir ihn mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit in Russland hatten, explodiert, Feuerbälle fliegen durch die Luft und das ist vor allem dann gefährlich, wenn es - wie jetzt - über bewohntem Gebiet passiert.

Machen Ihnen solche Objekte Angst?

Genauso viel Angst wie jedem anderen Erdenbürger. Denn wir sitzen alle im gleichen Boot. Das ist auch der Grund, weshalb wir bei der Abwehr der gefährlichen Asteroiden international vorgehen. Wir nutzen weltweit koordinierte Teleskopnetzwerke, mit denen wir kontinuierlich den Himmel durchforsten.

Asteroid passiert Erdumlaufbahn

Wären Sie im Ernstfall in der Lage, gefährliche Asteroide unschädlich zu machen? Sie zum Beispiel abzuschießen?

Also abschießen ist schwer möglich. Aber es gibt verschiedene Konzepte, um die Flugbahn eines Asteroiden zu verändern. Das schafft man dadurch, dass man die Geschwindigkeit verändert. Und je früher man das macht, desto geringer braucht diese Bahnänderung ausfallen, um die Erde zu schützen.

Und wie macht man das?

Ein Asteroid hat eine Geschwindigkeit von mehr als 50.000 km/h. Die Geschwindigkeitsänderung, die man aufbringen muss, liegt im Bereich von gerade mal einigen Millimetern pro Sekunde. Also klitzekleine Änderungen. Wenn man die lange im Voraus hinbekommt, kann das große Änderungen in der Position des Asteroiden bewirken und die Erde bleibt verschont.

Wie stellen Sie das technisch an?

Zum Beispiel, indem wir eine Nuklearexplosion auf der Oberfläche eines großen Asteroiden durchführen. Dadurch wird Material verdampft. Mit der einhergehenden  Impulswolke bewirkt das einen Rückstoß und dieser Rückstoß verändert die Geschwindigkeit. Dadurch ändert sich die Bahn des Asteroiden und die Erde ist aus der gefährlichen Kollisionszone raus. Oder aber man schickt ein Objekt zum Asteroiden, und lässt es mit hoher Geschwindigkeit aufschlagen. Auch das ändert die Geschwindigkeit.

Wären Sie dazu schon morgen in der Lage?

Wir wären in der Lage, eine Kollision herbeizuführen. Alles andere ist noch Zukunftsmusik.

Aber ausprobiert haben Sie das noch nicht?

Nein.

Prof. Heiner Klinkrad ist Leiter der Abteilung Weltraumrückstände bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt.

Das Gespräch führte Judith Hartl