Heimatfilm zwischen Kitsch, Verdrängung und Kritik
Seit Kurzem gibt es in Deutschland mit Horst Seehofer nicht nur einen Innen-, sondern auch einen Heimatminister. Anlass genug für uns, eine Blick auf das Genre Heimatfilm zu werfen.
Publikumsmagnet "Grün ist die Heide"
In den 50er Jahren wurde der Heimatfilm in der Nachkriegsbundesrepublik zum erfolgreichsten Genre. Filme wie "Grün ist die Heide" zogen Millionen in die Kinos. Die Deutschen vergaßen Elend und Leid der letzten Jahre. Mit schönen Naturbildern und Herzschmerz-Geschichten konnten die Schrecken des Krieges verdrängt werden. Untergründig erzählen Heimatfilme aber auch von Flucht und Vertreibung.
Wurzeln im Stummfilm
Das deutsche Kino hatte schon zu Stummfilmzeiten einen starken Bezug zu Themen wie Heimat und Natur. In den Filmen des als "Bergfilmer" in die Kino-Geschichte eingegangenen Regisseurs Arnold Fanck wurde ein Zusammenhang zwischen Natur und Mystik beschworen. Eine seiner gelehrigsten Schülerinnen war Leni Riefenstahl - hier bei Dreharbeiten zu "Das blaue Licht" 1932.
Triumphe an den Kinokassen
Die große Zeit des Heimatfilms waren dann die 50er Jahre. Produzenten und Regisseure erzählten ihre Geschichten meist vor grüner Bergkulisse, die Sujets pendelten zwischen Drama und Kitsch. Filme wie "Försterliesel" zogen die Massen an. Später entdeckten Wissenschaftler aber auch in den Heimatfilmen Botschaften von Verzweiflung und Elend.
Neuer deutscher Heimatfilm
Jahrzehnte später verhalfen Regisseure wie Herbert Achternbusch und Werner Herzog dem deutschen Heimatfilm zu einem überraschenden Comeback. Heimat wurde hier freilich ganz anders definiert. Der Ur-Bayer Achternbusch, hier im Film "Bierkampf", nahm vor allem bayrische Eigenarten aufs Korn. Der neue deutsche Heimatfilm war kritisch und satirisch, bitterböse und so gar nicht im Sinne der CSU.
"Heimat" von Edgar Reitz
1984 war es der Regisseur Edgar Reitz, der dem Begriff Heimat zu neuen Ehren verhalf. Sein mehrteiliges gleichnamiges Epos, uraufgeführt bei den Filmfestspielen in Venedig, wurde zu einem internationalen Welterfolg. Reitz erzählte seine Geschichten von den Bewohnern eines Hunsrück-Dörfchens subtil und mit Liebe zum Detail - und hielt der deutschen Gesellschaft damit einen Spiegel vor.
"Die andere Heimat"
Reitz war es auch, der dem Genre mit seinem inzwischen vierten Heimat-Epos "Die andere Heimat" 2013 eine neue Bedeutung gab. Der Regisseur erzählte von Deutschen, die im 19. Jahrhundert nach Brasilien auswanderten: Emigration und Migration - zwei Aspekte von "Heimat", die immer zusammengehören. Heimat kann man eben aus verschiedenen Perspektiven sehen.
Deutschland von oben
Die jüngsten "Heimatfilme" aus Deutschland aus den letzten Jahren blicken aus der Vogelperspektive auf das Land. Es sind Dokumentarfilme wie "Die Elbe von oben", die Heimat vor allem abstrakt und aus der Ferne zeigen. Die Schönheiten des Landes werden betont, Tieferliegendes bleibt außen vor.
Amerikanische Heimatfilme: Der Western
Auch in anderen Ländern gab es Heimatfilme, auch wenn sie dort unter einem anderen Genrebegriff bekannt sind: Was anderes sind Western als die US-Variante eines Heimatfilms? Das Western-Genre erzählt von Landnahme und Vertreibung, von alter und neuer Heimat - meist allerdings aus der Perspektive der weißen Siedler - wie hier in "The Searchers" von John Ford.
Fellinis italienische Heimatfilme
Auch in der großen Filmnation Italien entstanden Heimatfilme. So kann man die Werke des Regisseurs Federico Fellini sicher mit Fug und Recht diesem Genre zuordnen. In "Amarcord" (1973) und anderen Filmen erzählte Fellini seine Geschichten aus Städten und Provinzen, von Menschen und Familien, die so sicher nicht woanders als in seiner Heimat hätten spielen können.
Französische Landidylle
Und auch aus dem Mutterland des Kinos kommen Heimatfilme. Das französische Kino beschwört seit jeher insbesondere die Schönheit des Lebens auf dem Lande, in der so "typischen" und über die Landesgrenzen bekannten französischen Provinz. Essen und trinken, leben und lieben - das wurde in vielen Filmen, wie hier in "Ein Sommer auf dem Lande" (1999), im Kino gefeiert und zelebriert.
Die Sch'tis erobern die Welt
Frankreich hat auch den Gegensatz zwischen Provinz und Stadt, zwischen den einzelnen Landesregionen ins Kino gebracht. Das Thema Heimat wird hier in einer heiteren Variante dargeboten. Das war sogar im Ausland erfolgreich. Franzosen von der Côte d'Azur, die im Norden fremdeln - das verstand man auch anderswo. Ganz aktuell kommen die Sch'tis jetzt in die Hauptstadt Paris - eine ganz andere Heimat!