UN-Kritik an EU bei Flüchtlingsabwehr
14. November 2017Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, hat die Flüchtlingspolitik der EU scharf kritisiert. Der Ansatz der Europäischen Union, Migranten auf dem Mittelmeer durch die libysche Küstenwache abfangen zu lassen, sei unmenschlich, sagte Seid in Genf. Die Aufgegriffenen landeten oft in libyschen Haftzentren, wo sie versklavt, vergewaltigt und gefoltert würden. Auch komme es zu willkürlichen Tötungen. Die Inhaftierten hätten keinen juristischen Beistand und könnten die Zwangsunterbringung nicht anfechten.
Die EU-Politik sei "unmenschlich", beklagte Seid. Das Leiden der Männer, Frauen und Kinder sei eine "schwere Last auf dem Gewissen der Menschheit", erklärte der aus Jordanien stammende UN-Hochkommissar. "Die internationale Gemeinschaft kann angesichts der unvorstellbaren Horrorzustände dort nicht einfach wegschauen und so tun, als könne Abhilfe geschaffen werden, in dem man die Lage in den Haftzentren verbessert." Vielmehr sei das Haftsystem für Flüchtlinge in Libyen "irreparabel zerstört", so Seid weiter. Trotz zugesagter EU-Hilfen verschlimmere sich die Situation und sei inzwischen "katastrophal".
Libyen ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika auf ihrem Weg nach Europa. Das Land wird in weiten Teilen von bewaffneten Milizen kontrolliert. Italien und die EU unterstützen die libysche Küstenwache seit dem Sommer, die Flüchtlingsboote vermehrt an der Weiterfahrt nach Europa hindert und die Menschen in Libyen in Lager sperrt. Nach Angaben der libyschen Behörden ist die Zahl der Menschen in den Zentren von Mitte September bis Anfang November von 7.000 auf knapp 20.000 gestiegen. Mehr als 150.000 Migranten und Flüchtlinge überquerten laut den Vereinten Nationen von Januar bis Anfang November das Mittelmeer und kamen in Europa an. Die meisten von ihnen bestiegen an der libyschen Küste Schlepperboote.
Erst am Montag hatten 13 europäische und afrikanische Staaten der "Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer" einen besseren Zugang von UN-Inspektoren zu den Zentren in Libyen verlangt. In der Kontaktgruppe ist auch Deutschland vertreten. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst.
sti/sam (afp, dpa, epd)