Heftige Kritik an US-Drohnen
9. Februar 2013Über 24 Stunden kann sie sich in der Luft halten - ferngesteuert von der Erde aus. Dabei kreist sie besonders über den Gebieten, in denen Terroristen vermutet werden. Die Drohne, das unbemannte High-Tech-Fluggerät, sorgt in diesen Tagen für Schlagzeilen: in den USA, aber auch in Europa. Nahezu täglich bestimmen neue Aspekte des ferngesteuerten Tötens die Debatte. So wurde jetzt bekannt, dass sich in Saudi-Arabien seit zwei Jahren eine geheime Basis für US-amerikanische Drohnen befindet. Der Iran veröffentlichte derweil Luftaufnahmen, die angeblich von einer US-Drohne stammen sollen. Das unbemannte Flugzeug des Typs RQ-170 war nach iranischer Darstellung im Dezember 2011 an der Grenze zu Afghanistan abgefangen worden.
John Brennan, Präsident Obamas engster Anti-Terror-Berater und designierter CIA-Chef, musste sich im US-Senat wegen des Drohnen-Einsatzes harsche Kritik von Senatoren und lautstarken Demonstranten anhören.
Distanz zum Töten
Vor allem die Zahl unschuldiger Opfer führen die Kritiker ins Feld. Laut der unabhängigen Journalisten-Vereinigung "Bureau of Investigative Journalism" in London wurden in Pakistan seit 2004 rund 3000 Menschen durch Drohnenangriffe getötet, darunter mindestens 470 Zivilisten. Unter den Opfern befinden sich auch amerikanische Staatsbürger, wie etwa der radikale Islamist Anwar al-Awlaki, der 2011 bei einem Angriff im Jemen getötet wurde. 2010 wurde mit Bünyamin E. auch ein Deutscher von einer US-Drohne getötet. Er war in eine Bergregion im Nordwesten Pakistans gereist, die als Islamisten-Hochburg gilt.
Mit dem Drohnen-Einsatz verbinden sich auch in Deutschland zahlreiche ethische Bedenken. "Wenn die Entscheidung über Leben und Tod am Computer ausgelagert wird, ist am Ende niemand mehr für die Menschen verantwortlich, die umkommen", gibt Friedensforscher Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung im DW-Interview zu bedenken. So könne sich der Offizier, der die Drohne zwar losgeschickt, aber die Waffe nicht ausgelöst hat, von der Tat ebenso distanzieren wie der Programmierer.
Todesurteil ohne Gerichtsverfahren
Völkerrechtlich ist der Einsatz von Drohnen mit Raketen höchst umstritten. Aus amerikanischer Sicht befinde man sich in einem bewaffneten Konflikt gegen Al Kaida, sagt Schörnig. Die Argumentation: Al Kaida operiere weltweit, also habe man auch weltweit gegen das Terror-Netzwerk vorzugehen.
Europäische Völkerrechtler weisen diese Argumentation jedoch zurück. "Solche Angriffe geschehen im rechtsfreien Raum", sagt Rechtsexperte Wolfgang Nešković, unabhängiger Abgeordneter im Deutschen Bundestag und bis vor kurzem Mitglied der Fraktion der Linken, im Gespräch mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). "Das Völkerrecht enthält keine Rechtsgrundlage für die Tötung vermeintlicher Terroristen außerhalb einer Gefechtssituation. Bei Pakistan zum Beispiel hat bisher kein Land des Westens offiziell verlautbart, dass es sich um ein Kriegsgebiet oder um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerrechts handelt." Gezielte Tötungen von vermeintlichen Terroristen, so Nešković, das gleiche "einem Todesurteil ohne Gerichtsverfahren".
Aufgeweichte Regeln
Verstärkt werden diese Vorwürfe durch ein neues Papier der US-Regierung. Der Nachrichtensender NBC hatte bereits eine Kurzform des Berichts veröffentlicht, aus dem hervorgeht, wie die Regeln für die Tötung von US-Bürgern ausgelegt werden können. Demnach genüge es, wenn die Regierung feststellt, dass der US-Bürger in entsprechende "Aktivitäten" verwickelt sei.
Schörnig überrascht diese Äußerung nicht. Zwar betonte die amerikanische Regierung, dass sie beim gezielten Töten von Terroristen sehr zurückhaltend vorgehe und sogenannte Kill-Lists führe, die der Präsident persönlich autorisieren müsse. "Aber wenn man sich das Ausmaß der Drohnenangriffe auf mutmaßliche Al Kaida-Mitglieder in Pakistan, im Jemen und in Somalia anschaut, erkennt man, dass diese schon immer deutlich umfangreicher waren, als es die amerikanische Rhetorik suggeriert."
Wenig Schutz vor Hacking
Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg bemängelt vor allem die Informationspolitik: "Es herrscht auf diesem Sektor eine Intransparenz. Man weiß nicht genau: Wer fällt jetzt eigentlich auf welcher Grundlage welche Entscheidung?"
Doch auch auf amerikanischer Seite bergen die Flugzeuge ein Risiko. Erst am Donnerstag (07.02.2013) zeigte das iranische Staatsfernsehen brisante Luftaufnahmen, angeblich aufgenommen durch eine US-amerikanische Drohne. Für Wissenschaftler Schörnig ist die Technik vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausgereift: "Wenn man sich fragt, ob diese Systeme gegen Manipulation und Hacking geschützt sind, muss man sagen - nicht besonders gut. In vielen Drohnensystemen werden aus Kostengründen kommerzielle Produkte eingebaut, teilweise auch kommerzielle Software. Da gibt es immer wieder Möglichkeiten zu stören und einzugreifen", sagt er.
Verweigerte Startrechte
Auch die Enttarnung der geheimen Drohnen-Basis in Saudi-Arabien könnte für die US-Regierung unangenehme Folgen haben. Nach Ansicht von Friedensforscher Schörnig erfolgte die lange Geheimhaltung auch aus Rücksicht auf die dortige Führung. "Für die saudische Regierung ist das natürlich ein Problem, wenn die Drohnen, die gezielt muslimische Kämpfer töten, aus einem muslimischen Land starten. Das kann in der Bevölkerung zu Widerständen und Problemen führen", sagt er. Möglicherweise würden andere Länder den USA nun ihre Startrechte für die Drohnen verweigern.
Zudem: "Es gibt Untersuchungen, die deutlich zeigen, dass diese Art der Kriegführung als unethisch angesehen wird von der jeweiligen Heimbevölkerung", sagt Wissenschaftler Neuneck. Die Drohnen seien unsichtbar und töteten scheinbar wahllos. "Und das führt in den Regionen, die schon mal von Drohnen überflogen worden sind, zu Traumatisierung und Terrorisierung."