1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Hausgemachte Probleme"

Martin Schrader26. April 2002

Israel geht es wirtschaftlich so schlecht wie seit den fünfziger Jahren nicht mehr. Schuld daran sind die weltweite Konjunkturschwäche und der andauernde Konflikt mit den Palästinensern.

https://p.dw.com/p/27WC
Börsianer in Tel Aviv kennen nur noch eine Richtung: abwärtsBild: AP

"Die Probleme in Israels Wirtschaft mögen voriges Jahr noch von der schwachen Weltwirtschaft ausgelöst worden sein", sagte der Israel-Experte David T. Beers von der amerikanischen Rating-Agentur Standard & Poor's im Gespräch mit DW-WORLD. "Dieses Jahr sind die Probleme dort aber eindeutig hausgemacht." Er verweist auf die Schwächung der Volkswirtschaft durch den palästinensischen Volksaufstand (Intifada) und Israels militärische Aktivitäten in den besetzten Gebieten.

Standard & Poor's untersucht regelmäßig die Kreditwürdigkeit von Ländern und großen Unternehmen. Diesen Monat sprachen die Finanzanalytiker eine Warnung an Investoren aus: Die wirtschaftlichen Aussichten Israels seien nicht mehr als stabil, sondern als negativ einzustufen. Weiter hieß es in einem Bericht: "Auch wenn die langsame weltweite Erholung vermutlich etwas Erleichterung bringen dürfte, schließen wir einen nachhaltigen Aufschwung der Wirtschaft Israels für dieses Jahr aufgrund der stark angespannten Sicherheitslage aus."

Zwei Nackenschläge für Israels Wirtschaft

Die israelische Wirtschaft wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren zweifach getroffen. Ihren Anfang nahm die Krise mit dem Beginn der jüngsten Intifada im September 2000. Sie ließ das Vertrauen in die Region erheblich abflauen, sowohl von Investoren als auch von Reisenden. Die Zahl der Touristen – einst waren es monatlich bis zu 180.000 - ging innerhalb weniger Monate um zwei Drittel zurück. Die Besuche ausländischer Geschäftsleute verringerten sich seit Ausbruch der Feindseligkeiten Schätzungen zufolge um die Hälfte. Die gesamte Höhe der Einbußen infolge der Intifada wurde vom israelischen Finanzministerium vor einigen Wochen auf etwa drei Milliarden US-Dollar beziffert.

Die weltweite Wirtschaftsschwäche im vergangenen Jahr verschärfte diese Krise. Risikokapitalgeber reduzierten ihre Investitionen in die einstige High-Tech-Perle des Nahen Ostens 2001 im Vergleich zum Vorjahr um knapp die Hälfte. Die Folge dieses Doppelschlags: Die Arbeitslosigkeit wuchs, während die Wirtschaft um 2,8 Prozent schrumpfte – so stark wie zuletzt im Jahr 1953. Für das laufende Jahr erwartet Standard & Poor's bestenfalls ein Null-Wachstum für das Land.

Kurstief in Tel Aviv

Auch die Börse in Tel Aviv, die einzige des Landes, reagierte negativ auf die unsichere politische Lage. "Wir sehen hier deutlich, wie das sinkende Vertrauen der Investoren die Aktienkurse belastet hat", sagte Beers. Der Aktienindex TA 100 brach seit Jahresbeginn um etwa ein Viertel ein. Seit September 2000 verloren Israels Aktiengesellschaften sogar mehr als ein Drittel ihres Wertes.

Eine Erholung der Wirtschaft wird es nach einhelliger Experten-Meinung nur nach einem Ende des kriegsähnlichen Streits zwischen Israel und den Palästinensern geben. Sollte dafür nicht bald Lösung gefunden werden, wird der weltweit erwartete Wirtschaftsaufschwung an Israel mit hoher Wahrscheinlichkeit vorbeigehen.