Erholt sich der Tourismus in Griechenland?
28. August 2021Das griechische Wort für Urlaub lautet diakopez (διακοπές) und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie "Unterbrechung". Was für ein passender Begriff, um meine Reise zu den sonnenverwöhnten Kykladeninseln in diesem zweiten Pandemie-Sommer zu beschreiben. Frisch geimpft und mit neuem Selbstvertrauen ausgestattet treffe ich Anfang Juli in Griechenland ein.
Die Fähre von Athen nach Paros, der vor allem bei jungen Partygängern und Athenern beliebten Insel, wirkt überfüllt, obwohl sie aufgrund der COVID-Vorschriften nur zu 80 Prozent ausgelastet sein dürfte. Auch an die offiziell vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und 1,5-Meter-Abstandsregel halten sich die wenigsten. Vor dem Einsteigen füllen alle Passagiere einen Gesundheitsfragebogen aus. In diesem muss man angeben, ob man geimpft oder getestet ist. Obwohl ich meinen Impfpass stets bereithalte, werde ich in den kommenden Tagen auf den Dutzenden von Fährfahrten kein einziges Mal aufgefordert, ihn vorzuzeigen.
Es herrscht Chaos, als die Fähre in Paros anlegt und die Reisenden in einem Durcheinander von Gepäck, Motorrädern und Autos von Bord gehen. Nichts davon stört mich. Wieso auch? Die Rückkehr nach Griechenland, für mich nach zahlreichen Besuchen so etwas wie eine zweite Heimat, fühlt sich nach einem angsterfüllten Pandemie-Jahr einfach wunderbar an.
Besser, aber noch nicht gut genug
"Letztes Jahr hatten wir absolut nichts zu tun, das Geschäft war 70 bis 80 Prozent rückläufig. Wir bekamen ein wenig Unterstützung von der Regierung, aber das reichte nicht aus, um die Miete für den Winter zu bezahlen", klagt Stavros Dreveles, Besitzer des Hotels Mary. Für dieses Jahr sei er aber wieder optimistischer, erzählt er, bisher sei sein Hotel dank der überdurchschnittlich hohen Zahl griechischer Touristen so gut besucht wie nie zuvor.
Im Sommer 2020 ging der Tourismus gegenüber dem Rekordjahr 2019 mit 34 Millionen Ankünften um 78 Prozent zurück - eine Katastrophe für das wirtschaftlich angeschlagene Land, zu dessen Bruttoinlandsprodukt der Tourismus ein Fünftel beiträgt. Millionen von Arbeitnehmern sind auf das Sommergeschäft angewiesen, um über den Winter kommen zu können.
Aber dieser Sommer ist nicht leicht und unbeschwert - trotz aller Bemühungen der Regierung, dem Tourismus ungeachtet steigender Infektionszahlen und einer nur schleppend vorankommenden Impfkampagne zu einem Comeback zu verhelfen: Zusätzlich zu den Herausforderungen der Pandemie verwüsteten Waldbrände im Juli und August Teile des Landes, insbesondere die Inseln Euböa, Evia und Dörfer in der Umgebung von Athen, was Touristen zusätzlich abschreckt.
Labyrinth aus Reiseregeln und Papierkram
In einem Café in Lefkes komme ich mit Lauren Van Horn und Hannah Birch ins Gespräch. Die beiden jungen Frauen leben in Dubai, stammen aber aus den USA beziehungsweise aus England. Sie erzählen über die Probleme, die ihre Reisevorbereitung erschwert haben. "Wir hatten so viel über verschiedene Länder recherchiert, dass wir das 'Passenger Locator Form' völlig vergaßen und unseren Flug um einen Tag verschieben mussten", erzählt Hannah. Das Formular ist für ausländische Reisende bei der Einreise nach Griechenland obligatorisch und muss mindestens 24 Stunden vor dem Flug online ausgefüllt werden. Die Reisenden erhalten dann einen QR-Code, der vor dem Einstieg ins Flugzeug vorgezeigt werden muss.
Trotz des kleinen Missgeschicks sind Lauren und Hannah froh, endlich in Griechenland zu sein, um Fernarbeit und Reisen miteinander verbinden zu können. "Wir haben uns für Griechenland entschieden, weil wir durch unsere vollständige Impfung einreisen durften", sagt Lauren. "Außerdem wollte ich an einem Ort sein, an dem es mir nichts ausmachen würde festzusitzen, falls die Grenzen schließen.”
Griechenland ist eines der ersten europäischen Länder, das seine Tore für Touristen außerhalb der EU öffnete. Diese müssen entweder zwei Wochen vor der Einreise vollständig geimpftsein oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen PCR- oder Schnelltest vorweisen.
Mehr Touristen trotz mehr Infektionen
Im Laufe des Sommers stieg die Zahl der COVID-Fälle in Griechenland immer weiter an. So waren am 30. Juli viele der beliebtesten Reiseziele Griechenlands, darunter Mykonos, Santorin und Rhodos, auf der COVID-19-Karte des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten als "dunkelrot" gekennzeichnet. Das bedeutet, dass von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen abgeraten wird.
Doch nicht alle Reiselustigen aus Nicht-EU-Ländern lassen sich davon abschrecken - allen voran Touristen aus den USA. Auf der Insel Mykonos treffe ich ein Paar aus New York. Taylor Fox und Alina Bero befinden sich mitten auf einer Europareise - erst Italien, jetzt die Kykladen und anschließend geht's noch nach Frankreich.
Fox sagt, er könne verstehen, dass Reisen in Zeiten der Pandemie nicht für jeden geeignet seien, da man sich vor der Abreise genau informieren müsse. "Die Regeln ändern sich ständig. Für unseren Italienflug mussten wir uns innerhalb von 72 Stunden mehrmals auf COVID testen lassen - diese Anforderung hat sich aber inzwischen geändert. Ich kann mir vorstellen, dass das viele Menschen aus den USA davon abhält, jetzt nach Europa zu kommen", sagt er.
Die Pandemie fühle sich oftmals weit weg an, erzählt das Paar und genießt es deshalb, nur wenigen anderen Touristen zu begegnen. "Wir hatten das Virus bereits beide und sind geimpft, also ist es für uns gedanklich sozusagen Vergangenheit. In Griechenland hat sich nichts besonders überfüllt angefühlt", sagt Bero.
Santorin leidet - und atmet auf
Auf der beliebten Kykladeninsel Santorin treffe ich Kostas Sakavaras, der als Reiseleiter die geringere Nachfrage spürt. "Ich bin weniger ausgelastet als sonst. Ich mache nur vier bis fünf Touren pro Woche. Normalerweise wären es zehn bis zwölf", sagt Sakavaras.
Vor der Pandemie besuchten jedes Jahr bis zu zwei Millionen Touristen die Insel. In diesem Jahr sind es deutlich weniger. Das liegt auch an den seltener anlegenden Kreuzfahrtschiffen. "Das ist nicht unbedingt eine schlechte Entwicklung, um ehrlich zu sein", so Sakavaras. Die Insel hat nämlich bereits im Jahr 2019 eine Obergrenze für die Anzahl der Kreuzfahrtschiffe festgelegt, um einen Übertourismus zu vermeiden.
Party-Inseln auf Entzug
Auf vielen Inseln wurde in diesem Sommer bereits das Nachtleben eingeschränkt. Auf der Party-Insel Mykonos wurde am 17. Juli eine nächtliche Ausgangssperre von 1 Uhr bis 6 Uhr morgens verhängt. Laut Behörden gab es einen "besorgniserregenden Ausbruch" von COVID-Fällen.
Der Bürgermeister von Mykonos, Konstantinos Koukas, beklagte sich jedoch darüber, dass die Verhängung dieser Maßnahmen auf dem Höhepunkt der Tourismussaison unangebracht sei. Auf Facebook schrieb er: "Das Einzige, was dies bewirken wird, ist, dass die Besucher auf eine andere Insel gehen werden." So wurden die Beschränkungen schließlich am 26. Juli wieder aufgehoben.
Andere Orte, darunter die Insel Zakynthos und die Hafenstadt Chania auf Kreta, haben ebenfalls Live-Musik verboten. Viele Griechen beklagen, dass das zweite Jahr in Folge keine Panegyria - lokale Feste mit Tanz und traditioneller Musik im Freien - stattfinden durften.
Auf vielen Inseln herrscht im Juli und August Hochbetrieb, doch alles in allem stehen dem Tourismussektor schwere Zeiten bevor: Anfang des Jahres erklärte die Bank von Griechenland, es werde zwei bis drei Jahre dauern, bis der Tourismus wieder das Rekordniveau von 2019 erreiche. Damals flossen 18 Milliarden Euro aus dem Tourismus in den griechischen Staatssäckel. Die Bank prognostizierte, dass der Umsatz in diesem Jahr nur 40 Prozent betragen würde.
Hinzu kommt: Mitte August macht die Delta-Variante 90 Prozent der wachsenden Zahl von COVID-Fällen in Griechenland aus. Die Impfskepsis ist groß und viele befürchten bereits neuen Einschränkungen im Herbst.
Viele Reisende haben - so wie ich - ihre diakopez, ihre "Unterbrechung" des Alltags auf den Kykladeninseln in diesem Sommer genossen. Und sich trotzdem gefragt, was die Zukunft für Griechenlands Tourismusindustrie - und für uns alle - bereithält, wenn der Sommer zu Ende geht.