Konzept zur Spionageabwehr verraten?
19. Juli 2014Die gemeinsamen Recherchen der "Süddeutschen Zeitung", des Norddeutschen Rundfunks und des Westdeutschen Rundfunks haben weitere Früchte getragen. Das investigative Medientrio berichtet, dass der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts (BND), der Anfang Juli unter Spionageverdacht festgenommen worden war, ein vertrauliches Konzept zur deutschen Spionageabwehr an Vertreter der USA und Russland übergeben habe. Der BND habe im vergangenen Jahr an einem neuen Konzept gearbeitet, um künftig besser Spionageangriffe abwehren zu können, heißt es in dem Bericht.
Den Entwurf dieses Konzepts reichte der BND-Mann demnach an seinen Agentenführer weiter, der für einen US-Geheimdienst, vermutlich die CIA, arbeiten soll. Später habe der Verdächtige das Konzept zudem per E-Mail an das russische Generalkonsulat in München geschickt, hieß es. Der BND-Mitarbeiter hatte seine Dienste nach eigenen Angaben auch den Russen angeboten, war dabei aber aufgeflogen.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den BND-Mann sowie einen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums wegen des Verdachts auf Spionage für die USA. Als Konsequenz aus den jüngsten Spionagefällen hatte die Bundesregierung den bisherigen offiziellen Repräsentanten der US-Geheimdienste in Deutschland in der vergangenen Woche aufgefordert, die Bundesrepublik zu verlassen. Dieser kam der Aufforderung am Donnerstag nach.
"Bin kein Verräter"
Im zweiten mutmaßlichen Spionagefall zeichnet sich ab, dass sich der Verdacht wohl nicht erhärten lässt, wie die drei Medien berichten. Der Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums bestritt im Gespräch mit der Tablet-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung", für US-Dienste gearbeitet zu haben. "Ich bin kein Verräter", sagte der 37-Jährige, gegen den die Bundesanwaltschaft ermittelt, nach Angaben der Zeitung. "Ich liebe mein Land und bin loyal", versicherte er.
Der Verdächtige sagte weiter, sein Fall sei eine "fatale Missinterpretation einer Freundschaft" - seine angebliche Kontaktperson sei demnach ein ehemaliger Vorgesetzter aus einer gemeinsamen Zeit im Kosovo, der inzwischen zum Freund geworden sei. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt hatten am 9. Juli Wohnräume des Mannes im Großraum Berlin sowie sein Büro im Berliner Bendlerblock durchsucht. Ein Haftbefehl wurde zunächst nicht ausgestellt, weil es keinen dringenden Tatverdacht gab.
Nach der Enttarnung der beiden mutmaßlichen US-Spione sucht die Bundesregierung weiter nach undichten Stellen. "Ich gebe keine Entwarnung", sagte der Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, im Zweiten Deutschen Fernsehen. Man gehe weiter den Medienberichten über mögliche Spione in mehreren Bundesministerien nach. Der Bundesverfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst erledigten ihre Aufgabe, "ohne jede Unterscheidung zwischen Freund und Feind, um das deutsche Recht zu schützen".
Der Kanzleramtsminister, der die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste untereinander und mit anderen Behörden koordiniert, warnte die USA davor, die Beziehungen zu Deutschland weiter zu belasten. Das positive Image der Vereinigten Staaten, das Jahrzehnte lang zu Recht bestanden habe, sei durch die Enthüllungen beschädigt worden, sagte er. Viele Deutsche glaubten nicht mehr, dass die USA "unsere informationelle Unversehrtheit" respektierten. "Das ist in der Politik ein viel größerer Schaden, als das, was sie gewinnen können, wenn sie irgendwo E-Mails durchforsten oder Akten des BND abgreifen", mahnte Altmaier.
Derweil zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel offen für Forderungen aus den Reihen der Geheimdienste nach mehr Geld für deren Arbeit. "Ich bin sehr dafür, dass Nachrichtendienste ordentlich ausgestattet sind", sagte sie am Freitag in Berlin. Die Technik werde weltweit verbessert. "Da können wir nicht mit der Ausstattung von vor zehn Jahren operieren", betonte Merkel. Eine Modernisierung der Ausrüstung sei daher eher wahrscheinlich. Sowohl der Bundesverfassungsschutz als auch der Bundesnachrichtendienst haben einen höheren Finanzbedarf angemeldet.
kle/ml (afp, dpa, rtr)