Harsche Worte eines Preisträgers
14. Oktober 2012"Dieses Imperium muss auseinanderbrechen", mehrfach wiederholte der Schriftsteller Liao diesen Satz in seiner Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche. Aber auch den Westen ging er harsch an: Konzerne machten unter dem Deckmantel des freien Handels "mit den Henkern gemeinsame Sache", mahnte er. Es sei falsch zu glauben, dass der wirtschaftliche Aufschwung Chinas automatisch zu Reformen in dem Land führen werde.
Während Peking ihn am liebsten mundtot machen würde, würdigte ihn die Jury des renommierten Buchpreises, der mit 25.000 Euro dotiert ist, für seinen unerschrockenen Mut, sprachgewaltig "gegen die politische Unterdrückung" aufzubegehren. Liao gebe den Entrechteten seines Landes eine weithin hörbare Stimme, so die Begründung der Jury.
Schreiben als Kampf für die Freiheit
"Schreiben ist ein Weg, nach Freiheit zu streben", sagte der Preisträger einmal. In China hat der heute 54-Jährige zeitlebens um diese Freiheit gekämpft: Am 4. August 1958 wurde er geboren, wuchs in bitterarmen Verhältnissen auf und galt bald als talentierter Dichter. Als junger Autor gerät er durch seine Kritik an der chinesischen Gesellschaft in die Kritik der Behörden und bekommt ein Schreibverbot. Er wird zu vier Jahren Haft verurteilt, nachdem er in seinem Gedicht "Massaker" die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens vorwegnimmt.
Spektakuläre Flucht nach Deutschland
Mehrfach bemüht sich Liao um ein Visum, damit er China verlassen darf. Ohne Erfolg. Selbst als China 2009 Gastland der Frankfurter Buchmesse ist, darf er nicht hin.
Im Juli 2011 entscheidet er sich schließlich zur Flucht, um sein Buch "Für ein Lied und hundert Lieder" - ein Gefängnistagebuch über die ihm zugefügten Misshandlungen - veröffentlichen zu können. Über Vietnam setzt er sich nach Deutschland ab und lebt seither in Berlin.
Zur Buchmesse erschien sein neues Werk "Die Kugel und das Opium". Dafür führte er in China jahrelang heimlich Interviews mit Augenzeugen und Angehörigen der Überlebenden des Tian'anmen-Massakers.
Auf Distanz zu Literaturnobelpreisträger Mo Yan
Von seinem chinesischen Landsmann Mo Yan, der am Donnerstag den Literaturnobelpreis erhielt, hat sich Liao distanziert. Mo sei ein "Staatsautor", der das kommunistische Regime vertrete. Seine Freunde in China fragten sich angesichts des Nobelpreises für Mo Yan, ob sich der Westen als Verlängerung des chinesischen Systems verstehe.
Er sehe den Preis als eine besondere Verpflichtung, sich gegen Unterdrückung und Gewalt zu stellen, sagte Liao. "Seit ich von der Entscheidung der Jury weiß, habe ich mich bei vielen Veranstaltungen und mit vielen Appellen für die Freiheit anderer eingesetzt."
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 verliehen. Unter den Preisträgern sind viele Autoren von Weltrang. Zu den bekanntesten gehören Albert Schweitzer, Hermann Hesse, Astrid Lindgren, Siegfried Lenz, Vaclav Havel und Mario Vargas Llosa.
Neben Bundespräsident Joachim Gauck nahmen viele Prominente an der feierlichen Preisverleihung an Liao Yiwu in der Paulskirche statt. Sie gilt als einer der Höhepunkte der Frankfurter Buchmesse und findet traditionell an deren letztem Tag statt.
Insgesamt waren sowohl die Messeveranstalter als auch das Gastland Neuseeland hochzufrieden mit der Resonanz auf die 64. Buchmesse: Etwa drei Prozent mehr Lesefreunde als 2011 besuchten die weltweit größte Bücherschau. Das Fazit: Lesen wird immer interaktiver und multimedialer.
nem/haz/SC/GD (AP, dpa, epd, afp)