Horst Seehofer: Paraderolle fürs Kabarett
4. Juli 2018Wolfgang Krebs ist erleichtert. Horst Seehofer bleibt Innenminister, die Koalition bestehen - und er muss sein aktuelles Kabarettprogramm nun doch nicht umschmeißen. Der bayrische Kabarettist spielt sie alle: den neuen bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Innenminister Horst Seehofer oder Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er hat ihre Gesten einstudiert, imitiert ihre Stimmen und sieht ihnen verkleidet verdammt ähnlich.
Doch die letzten Tage ist Wolfgang Krebs arg ins Schwitzen gekommen. Das Hin und Her um eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik bei den Schwesterparteien CDU und CSU hat auch an seinen Nerven gezerrt. Bis tief in die Nacht hinein hat er auf den Nachrichtenkanälen die Debatten und vor allen Dingen den Schlagabtausch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer verfolgt. "Ich bin dankbar, dass ich in der ganzen Streitfrage nicht auf die Bühne musste", sagt er. Die Fußball-WM hat ihm etwas Luft verschafft. Seinen nächsten Auftritt hat er aber ausgerechnet am 4. Juli, dem Geburtstag von Horst Seehofer.
Realsatiriker Horst Seehofer
"Wenn Seehofer tatsächlich zurückgetreten wäre, hätte ich die Figur in meinem aktuellen Kabarettprogramm ganz überarbeiten oder gar rausschmeißen müssen, das wäre sehr viel Arbeit gewesen", so Krebs. Jetzt reicht dem Kabarettisten zur Einleitung schon ein Rückgriff auf ein echtes Seehofer-Zitat aus der Süddeutschen Zeitung: "Ich habe Ihnen ja gesagt, 'ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist'. Wenn ich das sage", da ist sich Krebs sicher, "dann wird es schon große Lacher geben." Realsatire eben.
Wolfgang Krebs hat schon als Schüler Theater gespielt und seine Lehrer imitiert. Ende der 1980er Jahre hat er sich dann Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß vorgenommen. Später war der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ein gefundenes Fressen für den Kabarettisten. Als der echte Edmund Stoiber 2004 kurzfristig für eine Faschingssendung im Bayerischen Fernsehen absagte, bat man Wolfgang Krebs einzuspringen. Seitdem hat er viele Politiker und öffentliche Personen auf der Bühne imitiert, seien es Horst Seehofer, Angela Merkel oder auch Franz Beckenbauer. Mit dem bekannten Kabarettisten Django Asül ist er befreundet und spielt in dessen Fernsehsendung "Asül für alle" als Dauergast die Rolle des Horst Seehofers.
Die geschürte Angst vor den Flüchtlingen
Wenn Wolfgang Krebs seine Protagonisten parodiert, muss er sich natürlich ein Stück weit in sie hineinversetzen. "Wenn ich Horst Seehofer imitiere, dann blase ich mich förmlich auf, mit hocherhobenem Haupt und zurückgezogenen Schultern, um Größe zu demonstrieren." Schließlich ist Wolfgang Krebs ein paar Zentimeter kleiner als der echte Horst Seehofer.
Doch diesmal fällt es dem Kabarettisten nicht leicht, sich in den Innenminister hineinzuversetzen. "Eigentlich fällt es mir schon seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 schwer, weil ich bei ihm das christliche Ansinnen seiner Partei vermisst habe." Als das Foto des toten Flüchtlingsjungen am Strand durch die Medien ging, hat Krebs den damaligen Ministerpräsidenten Seehofer bei einer Veranstaltung darauf angesprochen. "Ich habe ihn gefragt: Rührt Sie das nicht an?" Etwas unangenehm sei Seehofer die Frage gewesen, sagt Krebs, und er habe versichert, er tue alles, damit die Menschen, die als Flüchtlinge nach Bayern kämen, gut versorgt seien. Er wolle aber auch wissen, wer da in sein Bundesland hereinkomme.
Seehofer, eine Steilvorlage für Kabarettisten
Seehofer Imitator Wolfgang Krebs kann verstehen, dass man das Angstgefühl der Menschen in Bayern aufgreift, aber wie das geschieht, das kann er nicht nachvollziehen. "Es scheint mir grotesk, wo es doch in dem aktuellen Streit um fünf Asylsuchende pro Tag geht und nicht mehr um Hunderttausende wie vor drei Jahren." Wenn Seehofer von "Obergrenzen" oder "Transitlagern für Asylbewerber" spricht, dann ist es für Wolfgang Krebs nicht leicht, diese Rhetorik zu parodieren. "Ich zähle dann weitere absurde Obergrenzen auf, um das Ganze zu überzeichnen und zu entlarven, aber das versteht nicht jeder und ich will nicht, dass jemand glaubt, ich fordere noch schlimmere Sachen."
Das sei oft eine Gratwanderung, sagt Krebs. "Früher war man unverdächtig, wenn man den Horst Seehofer spielte. Themen wie Digitalisierung oder Heimat waren unverfänglich." Jetzt ginge es nur noch um die Flüchtlinge und man müsse als Kabarettist aufpassen, nicht selbst populistisch zu wirken und in die "braune Ecke" gestellt zu werden. "Die CSU bedient zur Zeit mit ihrem Vokabular ein nationalistisches Bayernbild, weil sie glauben, am rechten Rand fischen zu müssen. Das macht es für mich als Seehofer-Imitator schwierig."
In Bayern stehen die Landtagswahlen vor der Tür, und die CSU möchte AfD-Wähler zurückgewinnen. Auch der Streit zwischen CDU und CSU wird von Beobachtern in diesem Kontext gesehen. "Die konservativen Bayern werden jetzt denken, der Seehofer, der hat sich durchgesetzt und mal ordentlich auf den Tisch gehauen, auch wenn es ganz anders ist", meint Krebs
Nach der Einigung der beiden Schwesterparteien bleibt eine gewisse Unsicherheit, denn nicht zuletzt die Rücktrittsdrohung von Horst Seehofer und die Rücknahme der Rücktrittsdrohung ist nicht so schnell vergessen. Den wankelmütigen Seehofer kann Wolfgang Krebs gut spielen. Das Rücktrittsdebakel ist eine Steilvorlage für Kabarettisten. In seiner aktuellen Radiokolumne schlüpft Wolfgang Krebs deshalb in die Rolle des ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der Horst Seehofer bescheinigt, dass das ganze höchstens zwei Tage halten werde, bevor Seehofer am Ende doch zurücktritt. Dann natürlich stünde er, Edmund Stoiber, gerne für das Amt des Innenministers zur Verfügung.
Hat Wolfgang Krebs für sein Programm einen satirischen Seehofer-Satz erfunden, der immer passt, egal zu welcher Situation? "Ja, den habe ich, und der kommt immer an. Da sage ich als Horst Seehofer: 'Ich verspreche Ihnen Konsequenz oder Inkonsequenz, aber nicht dieses dauernde Hin und Her." Dieser Satz sei Horst Seehofer wie auf den Leib geschrieben und trifft auch dieses Mal wieder genau ins Schwarze.