Wo Mensch und Roboter zusammenfinden
22. April 2018Die gute Nachricht gab es schon vor dem offiziellen Messebeginn: Die EU und Mexiko sind sich weitgehend einig über ein neues Freihandelsabkommen. Der neue Handelspakt sieht vor, dass praktisch alle Waren zollfrei gehandelt werden können.
Das Timing könnte besser nicht sein: Mexiko ist das Partnerland der diesjährigen Hannover Messe, der größten Industrieschau der Welt. Hier wollen sich die Mexikaner im besten Licht zeigen. Und weil dem Land aus Richtung Norden ein ziemlich kühler Wind entgegen bläst durch die protektionistischen Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump, ist man auf der Suche nach neuen Absatzmärkten.
Darauf verweist auch Jochen Köckler, der Chef der Deutschen Messe AG: "Mexiko möchte zeigen, dass man ein sehr interessanter Industriestandort ist. Und auch ein Exporteur - und zwar nicht nur in die USA, weil man da nämlich Schwierigkeiten erwartet, sondern auch in andere Teile der Welt", sagte Köckler der DW. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas, hinter Brasilien, dränge auf die Weltmärkte. "Und das ist auch eine gute Botschaft in diesen Zeiten: Das Land ist ein großer Verfechter des freien Handels."
Große Delegation aus Mexiko
Auf die Bedeutung des freien Welthandels verwiesen zur Eröffnung der Messe am Sonntagabend in Hannover auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Mexikos Staatspräsident Enrique Peña Nieto. Merkel nennt die Erneuerung des Handelsabkommens "ein gutes Omen für die Messe", es sei gut für Mexiko, die EU und für Deutschland. Präsident Nieto kann da nur zustimmen - und ist zugleich optimistisch, mit Kanada und den USA ein überarbeitetes Nafta-Abkommen abschließen zu können. Nieto ist nicht alleine nach Hannover gekommen: Seine Delegation umfasst rund 450 Personen, darunter fünf Minister und die Chefs von 30 führenden Unternehmen seines Landes. Auf der Messe selbst stellen 150 mexikanische Unternehmen aus - sie gehören zur Schar der insgesamt 5000 Aussteller aus 75 Ländern.
Sie alle wollen zeigen, was es Neues gibt in Sachen modernste Produktionsmethoden. Da geht es um Maschinen, die mittels künstlicher Intelligenz selbstständig lernen. Da geht es um Drohnen oder Sprachassistenten, die die Abläufe in der Logistik verändern werden. Und es geht um den Menschen: Denn, das betonen alle Entscheider hier: Die Fabrik der Zukunft ist nicht menschenleer. "Kernbotschaft der Hannover Messe 2018 ist, dass der Mensch im Mittelpunkt der modernen Fabrik steht", sagt Messechef Köckler. Man könne in den kommenden Tagen gut sehen, "dass ich mit dem Roboter am Arbeitsplatz umgehe wie ich privat mit meinem Smartphone umgehe. Da muss ich heute kein IT-Experte sein, um ganz viele Dinge zu meinem Nutzen machen zu können."
Industrie 4.0 lockt Microsoft und Co
Was Köckler meint, sind sogenannte kollaborierende Roboter, die dem Arbeiter in der Fabrik assistieren. Und diese Roboter werkeln nicht mehr eingezäunt vor sich hin, sondern arbeiten sozusagen Hand in Hand mit dem Menschen. Die schlauen stählernen Kerle sind mittlerweile so sensibel, dass sie ihre Umgebung wahrnehmen. Auch andere Maschinen sind vollgestopft mit Elektronik, sie melden, wenn sie gewartet werden müssen oder sich ein Schaden andeutet.
Wo soviel Software und Daten im Spiel sind, da sind auch die großen IT-Firmen der Welt nicht weit: Mittlerweile haben Microsoft, Oracle, SAP und selbst Amazon große Stände auf der Industriemesse. Darauf verweist Klaus Mittelbach, der Geschäftsführer des Elektrotechnik-Verbandes ZVEI: "Wir erleben hier den Schritt von der Idee, vom Powerpoint, in die Realität." In Hannover könne man sehen, wie man in neuer Form zusammenarbeiten kann. Was besonders auffällt: "Wie die großen IT-Unternehmen aus den USA auf die Industriemesse drängen und nicht - so wie es in der Vergangenheit war - das wir auf die IT-Messen gegangen sind. Die IT kommt zur Industrie - das ist neu."
Mitmachen lohnt sich
Die digitale Transformation ist also in den Unternehmen angekommen. Das Schlagwort hierfür wurde auf der Hannover Messe vor einigen Jahren kreiert: Industrie 4.0. Bei der Gestaltung der vernetzten Industrie "steht Deutschland recht gut da", attestiert die Kanzlerin den Unternehmen. Die wollen nun den nächsten Schritt gehen: "Jetzt wird es spannend, weil es jetzt um die Geschäftsmodelle geht, die durch die Digitalisierung möglich werden", sagt Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA im DW-Gespräch. Auf der Hannover Messe könne man erste Anzeichen sehen, in welche Richtung der Zug fahren werde. Der nächste Schritt sei, sich mit seinen Partnern im Markt auszutauschen und damit die digitale Wertschöpfungskette zu schließen. "Es muss nicht jeder, der auch in zehn Jahren noch erfolgreich sein will, nun das Lied der Digitalisierung singen. Aber 80 Prozent der mittelständischen Unternehmen tun es, weil sie sich davon etwas erhoffen - und weil sie es auch gestalten können."
Denn natürlich können auch andere Nationen Digitalisierung. 40 Prozent aller verkauften Roboter, so die aktuelle Prognose, werden 2020 nach China gehen. Da müssen sich die meist mittelständischen deutschen Maschinen- und Anlagenbauer anstrengen, wenn sie ihren Platz in der Weltspitze verteidigen wollen. Mit den Technologien, die sie in den kommenden Tagen in Hannover zeigen werden, sollte das gelingen.