Kraft holt Sonderbeauftragten zum Fall Amri
25. Januar 2017Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (Artikelbild) hat bei einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags eine schnelle Aufarbeitung von möglichen Behörden-Fehlern im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri in NRW versprochen. Kraft kündigte an, den Strafrechtler Bernhard Kretschmer als unabhängigen Sonderbeauftragten dafür einzusetzen. Kretschmer soll klären, ob Fehler bei der polizeilichen Überwachung und der Einschätzung von Amris Gefährlichkeit vorlagen. Der 51-jährige Gießener Strafrechts-Professor verfügt nach Angaben der Landesregierung auch über Expertise im europäischen Ausländerrecht.
Sonderbeauftragter soll bis März Ergebnisse liefern
Kretschmer werde Zugang zu allen Akten und Unterlagen erhalten und "völlig autark arbeiten", sagte die Landeschefin. Bis Ende März soll demnach geklärt werden, was möglicherweise bei künftigen Fahndungen verändert werden muss und wo gesetzliche Änderungen notwendig sein könnten. Kraft betonte zugleich, auch das Land Berlin und der Bund müssten im Fall Amri ihr jeweiliges Vorgehen genau analysieren.
Amri war am 19. Dezember mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast und hatte zwölf Menschen getötet. Der Tunesier war den Behörden als islamistischer "Gefährder" bekannt. Der 24-Jährige wurde auf seiner Flucht in Italien von Polizisten erschossen. Der Attentäter Anis Amri hatte zeitweise in Nordrhein-Westfalen gelebt, für sein Asylverfahren waren nordrhein-westfälische Behörden zuständig. Der Tunesier war auch in NRW als Gefährder eingestuft worden.
Opposition attackiert NRW-Innnenminister Jäger
Als erste Lehre aus dem Fall Amri forderte Kraft niedrigere Hürden für die Abschiebe- oder Sicherungshaft von terrorbereiten Gefährdern in Deutschland. Bislang dürfe nur der in Abschiebehaft genommen werden, wer binnen drei Monaten zurückgeführt werden könne, kritisierte Kraft. "Wir brauchen eine flexiblere Regelung, damit die Abschiebung von Gefährdern nicht an dieser Hürde scheitert." Der Bund hat bereits angekündigt, die Drei-Monats-Frist zu streichen.
Die Opposition warf Innenminister Ralf Jäger erneut gravierende Fehler bei der polizeilichen Überwachung und der Einschätzung des Attentäters vor und kritisiert, Jäger habe die Abschiebung Amris nicht entschieden genug betrieben.
Die Polizei in NRW hätte Amri durchaus in Abschiebehaft nehmen können, sagte CDU-Fraktionschef Armin Laschet. CDU, FDP und die Piratenfraktion sehen die politische Verantwortung für Fehler und Fehleinschätzungen im Fall Amri bei Jäger und forderten einen Untersuchungsausschuss. Regierungschefin Kraft rief dazu auf, die Kritik an den Behörden zu mäßigen. Der Fall müsse hart in der Sache, aber verantwortungsvoller im Ton geführt werden. Dies gelte auch in Zeiten des Wahlkampfes. Am 14. Mai wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag.
cw/haz (dpa, epd)