Bilanz der EU-US Handelsgespräche
13. Juli 2013Während sich die Delegationen der Europäischen Union und der USA zur ersten Runde der Verhandlungen über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in Washington trafen, sprach Innenminister Hans-Peter Friedrich nur wenige hundert Meter weiter, im Weißen Haus, über die umstrittenen Überwachungsprogramme der US-Amerikaner.
Auf Augenhöhe mit den amerikanischen Partnern zu kommen und nach den heftigen Diskussionen der letzen Wochen nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, das war man offensichtlich der eigenen Selbstachtung schuldig.
Verhandlungen auf Augenhöhe
Für Jacob Kirkegaard vom renommierten Peterson Institute in Washington hatte diese Diskussion aber wenig Auswirkungen auf die Handels-Gespräche: "Offensichtlich hat das Thema der Überwachungsprogramme keine große Rolle gespielt. Die Delegationen sind relativ schnell zur Sache gekommen". Und Kirkegaard ist sogar überzeugt davon, dass beide Delegationen ein Maß an Grundvertrauen füreinander entwickelt haben, dass die bevorstehenden Verhandlungen erleichtert.
Marjory Chorlins von der American Chamber of Commerce sieht nach der Aufregung um amerikanische Überwachungsprogramme allerdings ganz konkrete Folgewirkungen: "Einige Themen wie etwa der digitale Handel, der jetzt verhandelt werden soll, stehen in direkter Verbindung zu den Berichten, die diskutiert werden. Ich habe aber den Eindruck, dass dies letzten Endes an den Verhandlungen selbst und an den Ergebnissen nichts ändern wird."
Überwachungsprogramme und Datenhandel
Dabei ist der Umgang mit den privaten Daten ohnehin schon eines der schwierigsten und kompliziertesten Verhandlungsthemen. Beide Kontinente sind hier weit voneinander entfernt. In Europa beispielsweise muß der Verbraucher ausdrücklich zustimmen, wenn seine Daten weiterverwendet werden. In den USA erfolgt das automatisch und ohne dass der Verbraucher gefragt wird.
Auch abseits der aktuellen Diskussionen über die Spionage der National Security Agency begegnen manche politischen Beobachter und Wirtschaftsakteure der geplanten Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit Misstrauen – und das übrigens auf beiden Seiten des Atlantiks.
"Offener und transparenter Verhandlungsprozess"
Daniel Mullaney, der Verhandlungsführer der amerikanischen Seite, wollte dem bereits in der ersten Gesprächsrunde begegnen. Zwei Tage lang diskutierten die Verhandlungsdelegationen mit Interessenvertretern und nahmen sich der insgesamt 370 schriftlichen Eingaben an. Am Ende versprach Mullaney auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Verhandlungsführer der EU, Ignacio Garcia-Bercero: "Wir arbeiten hart daran, einen offenen und transparenten Verhandlungsprozess zu gestalten. Wir erhielten hierzu viele nützliche Vorschläge und werden sie sehr sorgfältig prüfen."
Über die Vorzüge einer gemeinsamen Wirtschafts- und Handelszone ist schon viel gesprochen und geschrieben worden. Auch jetzt wieder, hier in Washington: Millionen neuer Arbeitsplätze, starke Konjunkturimpulse und mehr Effizienz würde der neue transatlantische Wirtschaftsraum bringen, hieß es aus den Delegationen und von Interessenvertretern.
Pazifik gegen Atlantik?
Mit dem Verweis auf die Vorteile von TTIP versucht Marjory Chorlins von der American Chamber of Commerce auch jene zu beschwichtigen, die den Amerikanern und ihrem selbsternannten "Pazifischen Präsidenten" vorwerfen, sie würden sich zu stark auf den pazifisch-asiatischen Wirtschaftsraum konzentrieren. Auch mit den Partnern dort führen die Amerikaner zur Zeit Verhandlungen. Das Projekt nennt sich "Transpazific Partnership". Für Chorlins eine naheliegende Sache und kein Konkurrenzunternehmen zu TTIP: "Für die amerikanische Wirtschaft macht es wirklich sehr viel Sinn, die enormen ökonomischen Möglichkeiten der pazifischen Region zu nutzen. Aber das lenkt uns nicht davon ab, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa zu verbessern. Wir stehen für die Hälfte des Bruttosozialprodukts dieser Welt. Handelsbarrieren abzubauen, Standards anzugleichen und die Chancen zu nutzen ist essentiell für uns beide.“
Strittige Themen, harte Verhandlungen
In der ersten Woche der Handelsgespräche ging es zunächst darum, einen Fahrplan für die Gespräche zwischen den Verhandlungsdelegationen zu verabschieden. Mit Themen wie Landwirtschaft, Bankenregulierung, Datenhandel und der Schaffung gemeinsamer Qualitäts- und Sicherheitsstandards enthält er viele unterschiedliche Herausforderungen.
Die nächsten 18 Monate werden hart für die Verhandlungsdelegationen. Ende 2014 soll ein Abkommen unterschriftsreif vorliegen. Jacob Kirkegaard vom Washingtoner Peterson Institute hält diese Zeitspanne für zu kurz. Aber vielleicht besteht ja die Verhandlungskunst darin, sich auf wichtige Felder zu konzentrieren und Seitenthemen zu delegieren.