Hanau - Eine Nacht und ihre Folgen
18. Juni 2021Überlebende und Angehörige berichten, wie sie die Tatnacht und die Monate danach erlebt haben und wie sie sich gegen die Logik des Täters wehren, der sie zu Fremden in ihrer eigenen Heimat machen wollte. Seit jener Februarnacht kämpfen sie um das Andenken der Opfer und um die Aufklärung des Geschehenen. Und sie stellen viele drängende Fragen zur Tatnacht und zum Täter, die ihnen bislang niemand beantworten wollte.
Der Mörder hat sich seine Opfer gezielt nach Haut- und Haarfarbe ausgesucht, tötete sie innerhalb von fünf Minuten. Mit dieser Nacht beginnt für die Angehörigen und Freunde der Getöteten eine lange und quälende Zeit der Trauer und der Verzweiflung. Einige von ihnen sind hier geboren, einige leben seit Jahrzehnten in Deutschland, andere kamen erst vor kurzem hierher, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Etris ist ein Überlebender. Er kennt viele Geschichten von Rassismus im Alltag, schon in der Schule. Auch selbst erlebt er das immer wieder. Selbst in jener Nacht und der folgenden Zeit setzen sich diese Erfahrungen fort: Bevor sich jemand um Etris Schusswunde kümmert, muss er seinen Personalausweis vorzeigen. Angehörige werden von der Polizei angerufen und gewarnt, keine Rache am Vater des Täters zu nehmen, der nebenan wohnt. Man behandelt sie wie Verdächtige.
Der Film nimmt konsequent die Perspektive der Hinterbliebenen ein; er zeigt ausschließlich ihr Erinnern und ihren Blick auf das, was geschah - vor, während und nach der Tat.
Die Hinterbliebenen kämpfen gemeinsam für Aufklärung, fordern Gerechtigkeit und Konsequenzen. Da sich der Mörder selbst tötete, wird es keinen Gerichtsprozess geben, keine öffentliche Aufarbeitung. Aber genau das ist es, was die Angehörigen fordern. So gibt dieser Film ihrer Trauer und ihrer Wut Raum. Der Mörder hat ihnen nicht nur ihre Kinder, Geschwister, Freunde genommen, sondern auch das Gefühl, in Deutschland eine Heimat zu haben.
Etris letzte Erinnerung, bevor man ihn in den Krankenwagen schob und ins Koma legte, ist diese: "Ich lag auf der Trage, die Polizei und Sanitäter hinter mir, da rief jemand, der Täter sei zurück und sie haben mich in die Richtung gedreht und sich hinter mir versteckt, wie ein Schutzschild. Ich lag dort nackt und starrte in den Nachthimmel und dachte, ich bin im falschen Film."
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