1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Häuser lernen schwimmen

5. Mai 2010

Wenn sich das Klima erwärmt, schmilzt Eis an den Polen - und der Meeresspiegel steigt. Für die Stadt Hamburg könnte das bedeuten: "Land unter". Die Antwort der Architekten: Lasst das Wasser in die Stadt!

https://p.dw.com/p/NE9W
Modernes Haus auf dem Wasser - Computersimulation
Wohnen auf dem Wasser - Visionen für die IBA Hamburg von den Architekten Schenk+WaiblingerBild: IBA Hamburg/Schenk

"Trutz blanke Hans", so wird die zerstörerische Seite des Meers an der deutschen Nordseeküste genannt. Der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg hat Erfahrung damit: Bei der großen Sturmflut im Februar 1962 waren die Elbinseln besonders schwer betroffen. Mehr als 200 Menschen starben.

Überschwemmter Straßenzug in Wilhelmsburg nach der Sturmflut 1962
Stadtteil Wilhelmsburg während der Sturmflut 1962 - das Wasser stand über 5 MeterBild: cc

Nach den Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) muss sich Hamburg aufgrund der erwarteten Klimaerwärmung in Zukunft auf weitere Hochwasser einstellen. Experten vom Institut für Küstenforschung in Geesthacht errechneten bis zu 20 Zentimeter höhere Sturmwasserstände in Hamburg bis zum Jahr 2030. Bereits heute lässt sich ein klarer Trend erkennen, noch nie wurden so viele Sturmfluten beobachtet wie seit den neunziger Jahren.

“Stadt im Klimawandel” heißt deshalb eines der Leitthemen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg, die bis 2013 realisiert werden soll. Dabei spielt die Anpassung von Bauten an einen steigenden Meeresspiegel eine wichtige Rolle.

Die Zukunft wird auf dem Wasser gebaut

"Häuser können schwimmen lernen. Sie können auch über dem Wasser schweben", sagt Hubert Lakenbrink, einer der Geschäftsführer der IBA. „In den Niederlanden wird das sehr erfolgreich umgesetzt.“ Im neuen Amsterdamer Stadtteil Ijburg beispielsweise, der im Osten der Stadt auf künstlichen Inseln entsteht, ist das Wohnen auf dem Wasser bereits Realität. Dort stehen Häuser, die bei steigendem Wasserspiegel zu Hausbooten werden.

Auch immer mehr Hamburger sollen in Zukunft mit und auf dem Wasser wohnen. Im Rahmen der IBA entsteht im flut-erfahrenen Wilhelmsburg das Projekt Waterhouses. Noch gibt es dort nur eine riesige Baustelle mit dröhnenden Baggern. Auf einer Fläche von fast 7000 m² entsteht ein künstliches Gewässer. Die Wasserfläche soll als Regenwasserablauf und Naherholungsgebiet genutzt werden - zum Kanufahren etwa. Auf dem Wasser sollen dann einige kühne architektonische Visionen Wirklichkeit werden. Zum Beispiel das spielerische Miteinander von Wasser und Wohnraum in den Entwürfen von Schenk+Waiblinger. Oder die modernen Reethäuser vom Hamburger Architekturbüro Martin Hecht. In diesem Entwurf verschmilzt der traditionelle nordische Reet-Bau mit urbanem Chic.

Entwurf des Architekturbüro Martin Hecht für das Projekt Waterhouses auf der IBA Hamburg
Entwurf des Architekturbüros Martin Hecht für das Projekt Waterhouses auf der IBA HamburgBild: IBA Hamburg/Architekturbüro Martin Hecht

Die Verwirklichung von Waterhouses bedeutet einen massiven Eingriff in das Stadtbild von Wilhelmsburg. Die Bauarbeiten seien bei den Menschen vor Ort deshalb umstritten, sagt Lakenbrink. Doch es sei allerhöchste Zeit, den Klimawandel in die Stadtplanung zu integrieren. "Wir werden den Wilhelmsburgern beweisen, dass sie von der IBA profitieren."

Hamburg soll auch klimafreundlicher werden

"Stadt im Klimawandel" bedeutet für die IBA aber auch Investitionen in den Klimaschutz. Hamburg will durch energieeffizientes Sanieren und die Nutzung von regenerativen Energien seinen Teil zur Energiewende beitragen. Ein Leuchtturmprojekt ist dabei die Neunutzung des Wilhelmsburger Flakbunkers. Der brachiale Koloss aus dem Zweiten Weltkrieg ist so massiv gebaut, dass er nicht gesprengt werden konnte.

Computersimulation für den Umbau des Wilhelmsburger Flak-Bunker
So soll der Wilhelmsburger Flak-Bunker einmal aussehenBild: IBA Hamburg/HHS

Nun soll das brachiale Bauwerk aus 80.000 Kubikmetern Stahlbeton zu einem Energiebunker werden. Dach und Fassade werden für Photovoltaik genutzt, im Inneren ist ein Blockheizkraftwerk für 800 Haushalte vorgesehen. In einem riesigen Wassertank soll außerdem die überschüssige Energie aus regenerativen Energiequellen gespeichert werden. Und oben auf dem Dach, in 30 Metern Höhe, soll nach den Plänen der Architekten ein Café entstehen.

Eine Art Klimaschutz-Wahrzeichen hat die IBA Hamburg bereits: Das so genannte IBA Dock - entworfen vom Hannoveraner Architekturbüro Han Slawik. In dem schwimmenden Haus hat die Bauausstellung ihre Büros. Das Besondere an dem Gebäude ist sein Energiemanagementsystem. Es verbraucht nämlich absolut keine Energie. Auch im strengsten Winter nicht, wie Projektleiterin Natália Junca Vicens von Immosolar versichert. Im IBA Dock steckt eine Menge modernster Energietechnik - vom Dach, auf dem Solarzellen installiert sind, bis in die Betonpontons unter der Wasseroberfläche. Dort wird über einen Wärmetauscher Energie aus dem Elbwasser gewonnen.

Das IBA-Dock in Hamburg, das ist ein schwimmendes Haus.
Klimawahrzeichen für Hamburg - das schwimmende IBA-DockBild: DW

Hamburg und das Meer - eine schmerzhafte und gleichzeitig fruchtbare Beziehung. Die Jahrhunderte haben beide untrennbar miteinander verflochten. Dem Hafen und den Schiffen verdankt die Hansestadt Weltoffenheit und Reichtum, bei mehreren schweren Sturmfluten versank sie unter meterhohem Wasser. Der Klimawandel wird die Beziehung zwischen Stadt und Wasser nun völlig neu definieren. Um als Stadt weiter zu existieren muss sich Hamburg mit dem Meer aussöhnen, statt es zu bekämpfen.

Autor: Martin Heidelberger
Redaktion: Friedel Taube/Monika Griebeler