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Hallo Lufthansa!

Marcus Bösch21. November 2012

Früher war alles besser. Auch keine neue Erkenntnis. Stimmt aber. Zumindest musste man da noch nicht mit 117.416 Mitarbeitern eines Luftfahrtkonzerns auf Facebook kommunizieren.

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Historische Aufnahme von 1926: Drei Angehörige der Luftwaffe stehen vor einer Junkers G 24 kurz vor dem Start. Copyright: Bundesarchiv, Bild 102-02982 / CC-BY-SA August, 1926
Bild: cc-by-sa/Bundesarchiv, Bild 102-02982

Der Moment auf dem Rollfeld, in dem man die Hand fester um das Reisegepäck schließt und den Blick entschlossen nach vorn richtet. Bereit für Reisen, Abenteuer und mehr. Ein Wind kommt auf. Es riecht nach Kerosin. Die Maschinen jaulen. Es geht los.

Wahrscheinlich muss man hier niemandem mehr erklären, dass sich die meisten Flugreisen im 21. Jahrhundert anfühlen wie ein nicht enden wollender Ausflug in einem überfüllten Schulbus, in den man nur durch einen schlechten Zufall geraten sein kann. Tomatensaft hin. Spuckbeutel her.

Auf Englisch

Wenig bis nichts ist übrig vom strahlenden Charme längst vergangener Tage, als die Uniformen besser, die Sitze bequemer, die Getränke kühler und die Mitreisenden adretter waren. Macht nichts. Ist so. Die Zeiten ändern sich. Aber "hey!“, dafür gibt es jetzt Facebook. Die Lufthansa ist da. Ein sonnenüberflutetes Rollfeld grüßt von der Fan-Seite. Lässig hebt eine High Tech Maschine ab. Die Flügel sanft gebogen. Das hat Stil. Und noch mal "hey!“: Wir werden aufgefordert, unsere Gedanken und Kommentare und Ideen mit der Lufthansa zu teilen. Steht da. Auf Englisch.

Fünf Stunden

Historische Aufnahme vom Flughafen Tempelhof nach einem schweren Sturm (1928). Eine Dornier Maschine wurde auf den Rücken geworfen. Copyright: Bundesarchiv, Bild 102-06183 / CC-BY-SA Juli, 1928
Bild: cc-by-sa/Bundesarchiv, Bild 102-06183

Unser Newsletter ist schon ganz aufgeregt und träumt von Asien. Das steht da auch. Und dazu sag ich nichts. Denn ich hab genug damit zu tun, über folgenden Dialog nachzudenken, den ich gerade beim Facebook-Scrollen auf dem Sofa in der Küche las:

"Hallo liebe LH-Mitarbeiter, ich möchte gerne die EU-Formulare nach einer dicken Verspätung eines LH-Fluges zwecks Entschädigung an Euer Unternehmen schicken. Gibt es dafür eine postalische Anschrift? Herzlichen Dank! Benjamin“, schreibt Benjamin vor fünf Stunden (in der Nähe von Köln).

"Hallo Benjamin, Sie können Ihre Unterlagen an Customer Relations senden. Die Postadresse finden Sie hier http://f.lh.com/BWw3. /Jens“, schreibt jemand namens Jens im Namen der Lufthansa ebenfalls vor fünf Stunden.

Voll praktisch

Der Dialog geht noch ein bisschen weiter, weil der Jens von der Lufthansa aus Versehen den englischen Link geschickt hat. Und dann weiß Benjamin nicht genau was er mit "Adress PO 710234“ anfangen soll. Und dann kommentiert der Jens das noch mal und entschuldigt sich, weil er nämlich die englische Adresse gesendet hat und dann postet er noch mal einen Link zur deutschen Adresse.

Ein Freund von Benjamin „liked“ das dann.

"Ja und?“, sagen Sie jetzt. Ist doch voll praktisch und voll nett von der Lufthansa. Das ist doch jetzt dieses Social Media: auf Augenhöhe. Mag sein. Aber ich möchte das nicht. Ich habe jetzt jahrelang als so genannter Social Media Dozent Menschen von (Medien-)unternehmen erzählt, dass sie auf Augenhöhe mit den Usern kommunizieren müssen. Das war ein Fehler. Ich habe mich vertan. Tut mir Leid.

1.188.345 Menschen like this

Drehen wir das Rad zurück. Und zwar direkt in eine Zeit, zu der die schwedischen Möbelverkäufer von IKEA noch nicht das penetrante Kampf-Geduze an den Tag gelegt hatten. Bitte.

Wer um alles in der Welt ist Jens? Und warum macht er mit seiner Zeit nicht was Besseres als Facebook zu monitoren? Er könnte breitere Sitze für Flugzeuge entwerfen. Eine bessere Auswahl an Magazinen zusammensuchen oder harte alkoholische Getränke kaltstellen.

Es gäbe so viel zu tun, um das - Achtung Beratertalk - "Markenerlebnis" zu verschönern. Die Aufforderung, als Passagier Liebesgeschichten öffentlich auf die Facebook-Page des Unternehmens zu posten, gehört nicht dazu. Finde ich. Die 1.188.345 Menschen die die Lufthansa auf Facebook liken, sehen das vielleicht anders.

Marcus Bösch war irgendwann 1996 zum ersten Mal im Internet. Der Computerraum im Rechenzentrum der Universität zu Köln war stickig und fensterlos. Das Internet dagegen war grenzenlos und angenehm kühl. Das hat ihm gut gefallen.

***ACHTUNG: NUR im Zusammenhang mit der Netzkolumne "Digitalitäten" benutzen!*** Bild von Marcus Bösch für die DW, September 2012
DW-Netzkolumnist Marcus BöschBild: DW/M.Bösch

Und deswegen ist er einfach da geblieben. Erst mit einem rumpelnden PC, dann mit einem zentnerschweren Laptop und schließlich mit geschmeidigen Gerätschaften aus aalglattem Alu. Drei Jahre lang hat er für die Deutsche Welle wöchentlich im Radio die Blogschau moderiert. Seine Netzkolumne gibt es hier jeden Donnerstag neu.