Habeck: "Das nächste Google muss aus Europa kommen"
21. Januar 2025Der Saal im "Haus Leipzig" in der gleichnamigen sächsischen Stadt ist mit rund 500 Zuschauern gut gefüllt. Wie ein Pop-Star wird Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, von seinen Anhängern gefeiert. Fast eine Stunde lang steht Habeck allein auf der Bühne - und zieht die ganz großen Linien seiner Sicht auf die globale Lage: In seinen Sätzen wimmelt es von Worten wie "Umbrüche", "Umwälzungen", "Weltgeschehen" und als Gegengewicht: "Europäische Behauptung."
Der neue US-Präsident Donald Trump, dessen Amtseinführung zeitgleich mit dem Leipzig-Auftritt erfolgt, ist allgegenwärtig in Habecks Rede. Auch im Interview mit DW-Korrespondentin Michaela Küfner am Ende der Veranstaltung.
"Diese unruhige Phase müssen wir schnell beenden"
DW: "Herr Habeck, während Sie hier auf der Bühne standen, wurde in den USA der neue Präsident Donald Trump in sein Amt eingeführt. Wie abgelenkt ist Deutschland in diesem Moment des drastischen Umbruchs?"
Habeck: "Schon sehr, muss man sagen. Diese Phase jetzt des Wahlkampfes und einer Zeit ohne Haushalt, wo Deutschland ja sehr stark mit sich selbst beschäftigt ist, ist denkbar ungelegen. Sie wird ja gespiegelt in Frankreich. Die stehen auch nicht stabil da. In Österreich ist noch keine neue Regierung da. Und dort droht auch noch Schlimmeres. Und die Belgier haben Probleme und die Niederländer streiten sich. Also das ist jetzt nicht gut, dass Europa mit sich selbst beschäftigt ist, denn Trump wird nicht warten, der wird jetzt einfach durchziehen, die Chinesen warten nicht, die Welt wartet nicht auf uns: Wir müssen schnell sehen, dass wir diese unruhige Phase beenden und Europa gestärkt und geschlossen repräsentieren."
Habeck nennt Wirtschaftspläne der Rechtspopulisten "kompletten Unsinn"
Deutschland, so der Vizekanzler, müsse die marode Infrastruktur sanieren, in Bildung und Forschung investieren, und dafür Milliarden ausgeben, notfalls über neue Schulden. Habeck weiß, dass die lahmende Wirtschaft, die Rezession, das wohl wichtigste Thema im Wahlkampf für die Neuwahl am 23. Februar ist. Und dass er als Wirtschaftsminister von den anderen Parteien dafür verantwortlich gemacht wird.
DW: "Deutschland geht immer tiefer in den Rezession, und Sie selber sagen, dass Deutschland Wachstum braucht, um auch die Gesellschaft wieder zu stabilisieren. Aber wenn Donald Trump jetzt Exportzölle erhebt, wie wollen Sie dann verhindern, dass die Wirtschaft noch weiter abflaut?"
Habeck: "Deutschland ist eine Exportnation, wir haben etwas mehr als 80 Millionen Bürger und sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wir verkaufen unsere Güter in alle Welt: Also zu glauben, deutsche Produkte für Deutsche mit deutschem Geld wie uns die 'Alternative für Deutschland' das erzählt, ist kompletter Unsinn. Wir sehen, dass die Welt sich immer stärker einigelt in eigene Machtsphären, dass China sehr aggressiv auf den Markt kommt. Darauf muss man und kann man antworten, neue Handelsabkommen schließen wie mit den Mercosur-Staaten beispielsweise."
"Eine Form der Kommunikation, die die Menschen zusammen führt"
Auch die Polarisierung der Gesellschaft und der Rechts-Populismus treiben Habeck um. Der Vizekanzler will eine neue Solidarität in Europa dagegen setzen, auch im Umgang mit den Social-Media-Plattformen.
DW: "In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass nicht nur Donald Trump, sondern auch Mark Zuckerberg, der Chef von Meta, ein fundamental anderes Verständnis von Medienfreiheit hat als die Europäer. Ist das für Sie eine rote Linie, dass man da dem Tesla-Milliardär Elon Musk und Donald Trump entgegenkommen könnte?"
Habeck: "Elon Musk hat ein fundamental anderes Verständnis; ich finde, ein falsches. So ist Freiheit vulgär verstanden, wenn man meint: 'Alles ist erlaubt. Und es gilt immer das Recht des Stärkeren.' Aber auch der Stärkste braucht Regeln und Begrenzung, das ist Demokratie. Der europäische Weg muss ein anderer sein, nämlich der, dass wir am Ende eine Kommunikationsform haben, die Menschen zusammenführt. Und Lösungen bringt, und nicht nur spaltet. Wir brauchen am Ende eine eigene technologische Kompetenz in dem Bereich. Das nächste Google muss aus Europa kommen."
Habeck sieht seine Partei auf dem richtigen Weg
Aber wird Habeck in Zukunft überhaupt noch in der Lage sein, dass große Weltgeschehen mitzubestimmen? Seine Partei, die Grünen, liegt in den Umfragen bei rund 14 Prozent, etwa gleichauf mit den Sozialdemokraten von Kanzler Olaf Scholz. Weit enteilt ist die konservative CDU (und in Bayern die CSU) mit ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten.
DW: "Laut den aktuellen Umfragen können Sie im Augenblick gar nicht so recht auf Sieg spielen, sondern nur hoffen, dass Sie vielleicht Teil einer Koalition mit den Konservativen werden, mit der CDU und CSU."
Habeck: "Ich gucke gar nicht so sehr auf die Umfragen. Die sind schon mal ganz gut. Wir sind von zehn Prozent auf 14 bis 15 Prozent geklettert. Wie lange ist es her? Zehn Wochen vielleicht. Das muss uns erstmal einer nachmachen. Wir sind erstmal bei unserem letzten Bundestagswahlergebnis von 2021. Aber das ist noch nicht alles. Ich bin zuversichtlich dass in den nächsten Wochen noch ordentlich was passiert. Die Laufrichtung stimmt."
Im vergangenen November ist die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP in Deutschland zerbrochen, seitdem regieren die Sozialdemokraten und Habecks Grüne in einer Minderheitsregierung. In knapp vier Wochen stehen Neuwahlen an.
Wenn Habeck danach weiter Wirtschaftsminister bleiben könnte, wäre das schon eine große Überraschung. Auch wenn die 500 Besucher nach der Veranstaltung Schlange stehen, um Selfies mit dem Noch-Vizekanzler zu machen.