Görlach Global: Südkorea, Nordkorea und die US-Wahl
4. November 2024Der demokratische Süden findet sich mehr und mehr im Fadenkreuz der nordkoreanischen Steinzeit-Diktatur des Kim-Clans. In Person von Kim Jong Un herrscht er nun in dritter Generation über seine Untertanen. Die Vereinigten Staaten sind Südkoreas Schutzmacht, seit die beiden Landesteile 1953 im Koreakrieg einen Waffenstillstand vereinbart haben. Ungefähr 30.000 US-Soldatinnen und US-Soldaten sind in Südkorea stationiert.
Kim wollte in der Vergangenheit vor allem verhindern, dass die Vereinigten Staaten ihm gefährlich werden und einen Wunsch nach Regimewechsel in Nordkorea unterstützen. Für diese Zwecke ließ er Langstreckenraketen entwickeln, die mittlerweile jede Stadt in den USA erreichen können. Sie könnten auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden - sofern niemand diese Entwicklung stoppt. Nicht umsonst versucht die freie Welt zu verhindern, dass Pjöngjang Uran für militärische Zwecke anreichert.
Nordkorea dient sich Russland und China an
Durch die geopolitischen Verschiebungen, die Russlands Krieg in der Ukraine vor zweieinhalb Jahren ausgelöst hat, fühlt Kim sich sicher und in der Lage, den Süden herauszufordern - und mit ihm die USA und ihre Partner in der Region.
Seit Russlands Herrscher Wladimir Putin das Nachbarland angegriffen hat, ist der Kreml mehr und mehr auf Munition, Waffen und neuerdings auch Soldaten aus Kims finsterem Reich angewiesen. Als Gegenleistung dafür bekommt Kim aus Russland Unterstützung für Raketensysteme, Satelliten und vielleicht auch das Atomprogramm.
Auch mit der Diktatur nebenan, Xi Jinpings Volksrepublik China, hat Pjöngjang die Kooperation verstärkt. Auch Peking ist daran gelegen, dass Putin die Ukraine erobert. Zwar zieht die Volksrepublik daraus keinen direkten ökonomischen Nutzen oder militärischen Vorteil. Aber da Xi sein Verhältnis zu Putin zu einer Freundschaft "ohne Limits" erklärt hat, würde eine Niederlage auch auf ihn abfärben, so fürchtet er. Gleichzeitig beäugt Xi das Verhältnis zwischen Kim und Putin mit Skepsis und will verhindern, hintergangen zu werden.
Südkorea rüstet auf
Jüngst ließ Kim die Straßen sprengen, die Richtung Südkorea führen. Er verkündete, dass ein Friedensschluss und ein offizielles Ende des Krieges keine Ziele seiner Regierung mehr seien. Ganz der Rhetorik des Kreml und Pekings folgend, erklärt er, dass die USA versuchten, das Kräfteverhältnis auf der koreanischen Halbinsel zu verändern. Tatsächlich haben sich das Engagement und die Haltung der USA in der Region geändert - das liegt allerdings daran, dass Regierungen von den Philippinen über die demokratische Inselnation Taiwan bis zu Japan und Australien ihre Allianzen mit Washington ausbauen wollen. Und der Grund für das verstärkte Zusammenrücken ist Xi Jinpings Versuch, die Länder Asiens mit militärischem und ökonomischem Druck unter sein Joch zu zwingen.
Die Regierung in Seoul hat auf diese neue Bedrohungslage reagiert und unter anderem ins Gespräch gebracht, Atomwaffen in Südkorea zu stationieren. Xis Treiben hat bereits das atomare Wettrüsten mit Indien befördert und stellt eine reale Bedrohung für den Weltfrieden dar. In diesem Kontext muss auch sie Ankündigung der südkoreanischen Regierung gelesen werden, künftig die Waffenproduktion im Land hochzufahren und Waffenexporteur zu werden - um sich selbst zu schützen, aber auch seine Freunde und Partner, wozu auch Deutschland gehört.
In Seoul erwartet man, dass die USA der Region helfen, sich zur Wehr zu setzen. Das gilt vor allem für den Fall, dass Xi einen Krieg gegen Taiwan anzettelt, um das Eiland zu erobern und der Kommunistischen Volksrepublik einzuverleiben.
Entscheidung in Washington
Beide Präsidentschaftskandidaten in den USA, Kamala Harris ebenso wie Donald Trump, würden Südkorea wahrscheinlich unterstützen gegen eine aus dem Norden kommende, von China und Russland abgenickte Aggression. Allerdings sind Trump Allianzen mehr oder minder unwichtig und Harris würde um jeden Preis vermeiden wollen, die USA in einen von den großen totalitären Playern initiierten Krieg zu verstricken.
So könnte Kims Kalkül, dass die USA ihm nicht im Wege stünden, unter Umständen aufgehen. Alle Hoffnung ruht darauf, dass die neue Führungsperson im Weißen Haus nicht von Südkorea abrücken wird.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.