Göbel: "Angst vor einem Guerillakrieg"
19. Februar 2013DW: Es wird eine EU-Mission für Mali geben, an der sich auch Deutschland beteiligen will. Derzeit erkundet ein Team der Bundeswehr die Lage in Mali. Was machen die Soldaten dort?
Alexander Göbel: Es gibt sicher viel, was die deutschen Pioniere den malischen Streitkräften beibringen können, zum Beispiel beim Brückenbau. Darüber hinaus geht es vor allem um Kampfmittelräumung, den Umgang mit Minen und Munition. Es zeichnet sich ab, dass die Islamisten mit Selbstmordattentaten und Sprengfallen für Angst und Schrecken sorgen werden. In der vergangenen Woche ist zum Beispiel eine Bombe mit 600 Kilogramm Sprengstoff in Gao, im Norden des Landes, gerade noch rechtzeitig entdeckt und entschärft worden. Sie müssen sich vorstellen, dass die malische Armee in einem ziemlich desolaten Zustand ist - was die Kommandostrukturen, die Zerstrittenheit verschiedener Einheiten und die Ausrüstung betrifft. Es fehlen vernünftige Uniformen, Funkgeräte, Satellitentelefone an den Checkpoints, so dass man sich schon fragt: Sind das die Leute, die ganze Orte vor neuen Angriffen von Islamisten schützen können, oder sind sie nicht schlicht und ergreifend "Kanonenfutter"?
Das Sicherheitsrisiko für die EU-Mission wird von den Verantwortlichen als kalkulierbar eingeschätzt. Wie schätzen Sie es ein?
Die Truppen sollen ja nicht in die Kampfhandlungen eingreifen. Aber ich habe den Eindruck, dass die Anschlagsgefahr groß ist. Ich habe gestern bei meiner Fahrt von Bamako nach Timbuktu erfahren, wie unglaublich weitläufig das Land und wie schlecht es zu sichern ist. Auch wenn es in jeder größeren Stadt Checkpoints gibt, ist es immer wieder möglich, dass Islamisten in die Städte kommen und Anschläge verüben. In einem Dorf, in dem wir angehalten haben, haben wir Männer auf Motorrädern gesehen, die unter ihren Gewändern Kalaschnikows trugen. Die fuhren da unbehelligt herum.
Wo sind Sie gerade?
Wegen mehrerer Autopannen sind wir jetzt noch 200 Kilometer südlich von Timbuktu, in Niafunké. Es ist die Stadt von Ali Farka Touré, dem großen Paten des Mali-Blues. Es war einmal eine Touristenhochburg. Aber momentan ist von alldem nichts zu spüren. Der ganze Ort ist jedoch mehr oder weniger tapeziert mit französischen und malischen Fahnen. Die Begeisterung für diesen Einsatz unter französischer Leitung ist auch hier oben extrem groß. In Bamako ist das genauso. Man drückt auf jede erdenkliche Art und Weise aus, wie dankbar man dem französischen Volk ist. Ich habe den Eindruck, dass das auch für die Deutschen gilt, die ja - vor dem Militärputsch im vergangenen Jahr - seit etwa 20 Jahren ein Ausbildungscamp für die malische Armee in der Nähe von Ségou unterhalten hatten.
Können Sie die Stimmung in Bamako beschreiben, auch verglichen mit jener, die Sie weiter im Norden erleben?
In Bamako herrscht eine gespannte, aber auch ein bisschen trügerische Ruhe. Das ist natürlich im Norden ganz anders. Da wird immer noch gekämpft, auch wenn wir oft nur sehr schwer nachvollziehen können, wo. Fest steht, dass die Franzosen jetzt auch in Bourem stehen, das ja immer noch als Bastion der Islamisten gilt. Vergangene Woche hat es dort zwei Selbstmordanschläge von Dschihadisten gegeben auf einen Kontrollposten an einer Straße nach Gao. Selbstmordattentate hatte es in Mali zuvor nie gegeben. Die Menschen befürchten, dass sich der Konflikt zu einer Art Guerillakampf ausweitet.
Ist Timbuktu Ihr endgültiges Ziel oder haben Sie vor, noch weiter in den Norden zu fahren?
Davon wurde mir dringend abgeraten. Im Norden wird auf jeden Fall noch weiter gekämpft. Es ist auch unglaublich schwer, sich dort zu bewegen. Allein die Fahrt von Bamako nach Niafunké: Das waren fast tausend Kilometer, die wir auf Sandpisten und mit mehreren Autopannen zurückgelegt haben. Wir haben erfahren, wie die malische Armee das Gebiet sichert, beziehungsweise auch nicht sichert: Ich möchte da nicht nachts mitten in der Wüste mit einem Auto liegenbleiben, vielleicht noch ohne Wasser, mitten im Kriegsgebiet. Das ist einfach zu riskant.