Gähnende Leere in Kairo
4. Februar 2014Was, fragt man sich, hat die Brezel mit Büchern zu tun? Nun, die Brezel ist seit Beginn des 14. Jahrhundert in Deutschland das Symbol des Bäckerhandwerks, und nur ein Jahrhundert später erfand Johannes Gutenberg den modernen Buchdruck. Kurz darauf nahm die Frankfurter Buchmesse ihren Anfang.
Diesen unerwarteten historischen Schlenker machte Ramesh de Silva, Erster Sekretär und Leiter Kultur und Bildung an der Deutschen Botschaft in Kairo, als er Ende Januar den deutschen Stand auf der Internationalen Buchmesse Kairo 2014 eröffnete.
Es ist mittlerweile Tradition, dass der deutsche Stand mit einem Brezel-Empfang eröffnet wird. Neben Büchern aus und Informationen über Deutschland bekommen die Gäste so auch ein Stück deutsche Esskultur in Kairo geboten. Und dank Ramesh de Silva bekamen sie an diesem Tag gleich auch noch einen Einblick in die deutsche Geschichte.
Deutsche Werke für den lokalen Markt
Den deutschen Stand gibt es seit mehreren Jahrzehnten auf der Buchmesse Kairo. Neben der Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenvereins sind am Stand auch das Goethe-Institut, das Deutschlandzentrum der Botschaft und ägyptische Buchhandlungen, die deutsche Werke für den lokalen Markt im Angebot haben, vertreten. In diesem Jahr wurden insgesamt 350 Titel aus 150 Verlagen am deutschen Stand vorgestellt, darunter unter anderem literarische Neuerscheinungen aus dem Jahr 2013, neue Kinder- und Jugendbücher sowie aktuelle "Graphic Novels" aus Deutschland.
Auch die Buchhandlung Adam ist seit sieben Jahren am deutschen Stand zu finden. Magdi Radwan hat unter anderem deutsche Werke für den lokalen Markt im Angebot, aber auch arabische Autoren in deutscher Übersetzung.
In den Jahren zuvor hatte er neben der Partizipation am deutschen auch immer noch einen eigenen Stand auf der Buchmesse. Doch in diesem Jahr hat er darauf verzichtet. Der Grund: Es lohnt sich finanziell für den Buchhändler nicht mehr.
25.000 ägyptische Pfund kostet ihn die Standmiete für die zwei Wochen, in denen die Buchmesse stattfindet. Hinzu kommen die Nebenkosten wie Personal, Strom und anderes. "Im Moment ist nicht die Zeit, Geld zu verschwenden, da muss man zweimal überlegen", sagt Magdi Radwan.
Zudem wurden kurz vor der Revolution in Ägypten im Januar 2011 die Hallen auf dem Ausstellungsgelände abgerissen. Geplant war ein größeres, moderneres Areal mit Messehallen und angegliederten Hotels. Geschehen ist seither nichts. Die Hallen jedoch sind bis auf eine abgerissen und seither müssen die Verleger mit Ständen in großen Zelten vorlieb nehmen. "Wenn es wieder Hallen gibt, miete ich auch wieder einen Stand", sagt Magdi Radwan.
Die leeren Hallen von Nasr City
Doch die momentanen Zustände seien nicht haltbar. Dabei sei, so sind sich er und andere Verleger einig, die Organisation in diesem Jahr um einiges besser als im vergangenen Jahr. "Sie versuchen es, aber sie haben keinen Plan", sagt Magdi Radwan.
Die politisch turbulenten vergangenen drei Jahre sind auch an der Internationalen Buchmesse Kairo im Stadtteil Nasr City und den Verlegern nicht spurlos vorbeigegangen. Die Anschläge in Kairo am ersten Messewochenende, das mit dem Jahrestag der Revolution vom 25. Januar zusammenfiel, ließ die Besucherzahl dramatisch einbrechen.
"Wir haben in diesem Jahr sicherlich 30 Prozent weniger Umsatz als im letzten Jahr", sagt Mustafa El-Faramawi, Leiter des Einkaufs der Shorouk-Buchhandlung, einer der größten Ägyptens. "Und die Einbrüche verglichen mit 2010 liegen bei mehr als 60 Prozent."
Aber nicht nur die Besucher blieben dieses Jahr der Messe fern. Auch einige der ägyptischen Verleger, darunter etablierte Namen wie Shorouk International und einige Kinderbuchverlage ziehen es vor, dieses Mal nicht an der Messe teilzunehmen. Zudem fehlen viele Buchhändler aus Saudi-Arabien, Jordanien und dem Libanon.
In Halle 19, wo sonst um jeden Zentimeter Ausstellungsfläche gerungen wird, sind viele Stände leer geblieben. Gastland Kuwait hat noch nicht einmal seinen bekanntesten Autor zur Buchmesse geschickt. Saud Al Sanousi hat im vergangenen Jahr den arabischen Booker Preis gewonnen, sein Buch "The Bamboo Stalk" ist in Ägypten ein Beststeller.
"Kuwait ist Gastland und hat einen solch attraktiven Autor zu bieten, und trotzdem sind sie überhaupt nicht sichtbar", sagt Sherif Bakr. Der 38-jährige Verleger arbeitet seit 1997 im Familienbetrieb seines Vaters, 2005 übernahm er die Geschäfte im Al-Arabi Verlag. In diesem Jahr hat er mit neuen Übersetzungen Franz Kafkas für Aufsehen gesorgt.
Angst vor Anschlägen
Normalerweise ist die Internationale Buchmesse Kairo ein beliebtes Ziel für Familien mit Kindern, denn die Messe findet traditionell während der Schulferien statt. In den ersten zwei Tagen sei der Ansturm enorm gewesen, sagt Sherif Bakr. "Die Leute wollten ihre Einkäufe erledigen und haben Geld ausgegeben." Dann kam der 24. Januar und mit ihm die Anschläge in Kairo. Die Angst, dass auch die Buchmesse Ziel der Angriffe sein könnte, war groß, und so blieben die Besucher der Messe fern.
"Wir Verleger haben gemeinsam mit der GEBO (General Egyptian Book Organisation) eine Kampagne auf Facebook gestartet, um den Menschen zu zeigen, dass die Messe sicher ist", erzählt Sherif Bakr. Die Türen der Messe blieben geöffnet, die Eintrittspreise wurden von zehn auf ein Pfund gesenkt, um das Publikum anzuziehen. "Es war wichtig, dass wir weitergemacht haben, trotz der Situation. Wir wollen die Leser ermuntern, die Messe zu besuchen."
Denn die Internationale Buchmesse Kairo ist trotz der massiven Einbrüche der vergangenen Jahre nach wie vor die größte Buchmesse im arabischen Raum und dem Nahen Osten und vom ersten Tag an eine Einkaufsmesse. "Der Verkauf auf der Buchmesse ist für viele ägyptische Verleger überlebenswichtig", sagt Magdi Radwan. Manche, ergänzt Sherif Bakr, würden bis zu 80 Prozent ihres Jahresumsatzes auf der Buchmesse machen
Im Schatten des Arabischen Frühlings
Auch der Markt hat sich durch die Umbrüche in der arabischen Welt in den vergangenen drei Jahren stark verändert. "Es ist schwieriger geworden in andere arabische Länder zu reisen, deshalb gibt es einen verstärkten Fokus auf den lokalen Markt", sagt Sherif Bakr.
Staatliche Einrichtungen wie Bibliotheken und Universitäten haben kein Geld mehr und kaufen deshalb auch keine Bücher ein. "Dafür haben wir mittlerweile mehr Buchhandlungen und auch mehr Leser in Ägypten", sagt der Verleger.
Gerade die Leser im Alter zwischen 15 und 30 Jahren seien wichtig für den Markt und die Verleger würden sich darauf konzentrieren, diese Leser zu erreichen. Sherif Bakr erzählt von einem Kollegen, der etwas komplett Verrücktes getan hätte, um diese Klientel anzusprechen. "Er hat Gedichte von völlig unbekannten, jungen Autoren veröffentlicht."
Doch die Idee dahinter war genial. Diese jungen Leute waren zwar unbekannt, hatten aber riesige Fangemeinden auf Facebook. "Einer von ihnen hat 117.000 Freunde bei Facebook." Zur Lesung auf der Buchmesse kamen hunderte junge Leute, die ihre Bücher signiert haben wollten. "Er hat die erste Auflage des Buches komplett verkauft", sagt Sherif Bakr. Eine Seltenheit auf dem arabischen Markt.
Der Markt verändert sich, die Leser werden jünger, mobiler. In diesen Tagen wird deshalb auch eine neue Initiative in Ägypten gestartet, die den Markt komplett verändern könnte - ein Portal für E-Books auf Arabisch.
"Es ist das nächste große Ding", sagt Sherif Bakr, der mit seinen Büchern von Anfang an dabei sein wird. Danach werden überall auf der Welt Menschen in der Lage sein, arabische Bücher auf ihren Lesegeräten herunterzuladen und zu lesen.