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Gurlitt einigt sich mit Bundesregierung

Kristina Reymann7. April 2014

Alle Werke des Schwabinger Kunstfundes werden binnen eines Jahres auf ihre Herkunft überprüft. Dann erhält Gurlitt seine Sammlung zurück - bis auf die Werke, die zweifelsfrei als Raubkunst identifiziert werden.

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Deutschland Österreich Gurlitt Sammmlung Türschild
Bild: picture-alliance/dpa

Der Freistaat Bayern, die Beauftrage der Bunderegierung für Kultur und Medien und Gurlitts Anwälte haben sich darauf verständigt, dass Gurlitt die Werke zeitnah zurückerhält, die nicht unter Raubkunstverdacht stehen. Das teilten sie am Montag (07.04.2014) mit. Als Gegenleistung dafür, dass er alle unstrittig ihm gehörenden Bilder zurückerhält, ermöglicht Gurlitt eine Recherche zur Herkunft und zu den Besitzverhältnissen der übrigen Werke.

Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen Gurlitt waren Ende Februar 2012 in dessen Schwabinger Wohnung Hunderte seit dem Zweiten Weltkrieg als vermisst geltende Bilder gefunden worden, darunter zahlreiche Meisterwerke. Die Bilder wurden damals von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmt. Vor kurzem waren auch in Gurlitts Salzburger Haus Bilder und Zeichnungen gefunden worden. Auf den Salzburger Kunstschatz haben die deutschen Behörden allerdings keinen Zugriff. Die Bilder lagern derzeit an einem unbekannten Ort.

Herkunftsforschung wird fortgeführt

Alle unter NS-Raubkunstverdacht stehende Bilder aus Gurlitts Schwabinger Wohnung sollen nun im Zuge einer Provenienzrecherche und Restitution auf ihren rechtmäßigen Besitz geprüft werden, bestätigt Walter Schön, der Leiter des bayerischen Justizministeriums, der bei den Verhandlungen dabei war. "Gurlitt kann nun auch einen Forscher an die Taskforce entsenden." Aus drei Vorschlägen werde die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, dann einen Wissenschaftler auswählen, sagt Schön im DW-Interview. Der Kompromiss sei seit Beginn des Jahres nach fünf Verhandlungsrunden mit Gurlitts Anwälten gefunden worden. "Dabei handelt es sich um eine freiwillige Vereinbarung." Die zugrundeliegende Washingtoner Erklärung von 1998 verpflichtet zwar Museen, in ihren Beständen nach Raubkunst zu fahnden und diese an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben, sie gilt aber nicht für Privatpersonen. Dennoch sei es im Sinne der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern gewesen, sich mit Gurlitt zu einigen. Nur so könne auch nach außen hin deutlich gemacht werden, dass Deutschland sich bemühe, Raubkunst zurückzugeben.

Conrad Felixmueller Paar in Landschaft
Conrad Felixmuellers "Paar in Landschaft" ist eines von hunderten Gemälden aus Gurlitts SammlungBild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa (Ausschnitt)

Warum Gurlitt mit der freiwilligen Herausgabe von Raubkunst einverstanden ist, erklärt Schön mit seinem wachsenden Bedürfnis, dass der Name Gurlitt ein Stück rehabilitiert und er nicht mehr öffentlich als Nazi-Händler gebrandmarkt werde. "Vielleicht hat er auch das Interesse, dass seine Sammlung möglichst makelfrei wird", ergänzt Schön. Mehrere hundert Kunstwerke stehen unter Raubkunstverdacht und sollen nun innerhalb eines Jahres überprüft werden. Sollte die Zeit nicht genügen, gewährleiste Gurlitt jedoch, dass die Taskforce weiterhin Zugang zu den Kunstwerken bekomme. Die Kosten für die Erforschung der Herkunft der Kunstwerke übernehmen der Bund und der Freistaat Bayern.

Werke ohne Restitutionsansprüche erhält Gurlitt zurück

"Sobald bei einzelnen Werken feststeht, dass keine Restitutionsansprüche bestehen und geltend gemacht sind, werden sie Gurlitt freigegeben", sagt Schön. Dies könnte auch schon vor Ablauf des Jahres geschehen. Schön gibt aber zu, dass möglicherweise nicht die Herkunft jedes Kunstwerks innerhalb von zwölf Monaten zweifelsfrei geklärt werden könne. Soweit keine Restitutionsansprüche angemeldet seien, würden diese Werke trotzdem nach einem Jahr an Gurlitt zurückgegeben. Gurlitts Anwälte zeigten sich entschlossen, möglichst umgehend Restitutionsvereinbarungen abzuschließen, sagt Schön. "Sie wollen damit ein Zeichen setzen, dass Gurlitt sehr wohl bereit ist, dem Recht wieder zur Geltung zu verhelfen."

Wie wichtig eine saubere Provenienzrecherche ist, macht ein Bild aus Gurlitts Sammlung deutlich. Für "Die sitzende Frau" von Henri Matisse gebe es inzwischen einen weiteren Anspruchsteller, teilte Gurlitts Anwalt Christoph Edel ebenfalls am Montag (07.04.2014) mit. Namen wurden bislang jedoch nicht genannt. "In dem Fall war es so", sagt Schön, "dass die Anwälte bis letzte Woche der Auffassung waren, sie hätten einen Anspruchsteller, und sie hätten mit ihm eine Vereinbarung getroffen, die der Anspruchsteller bereit war, zu unterzeichnen." Allerdings seien daraufhin bei der Recherche der Taskforce Zweifel aufgekommen, dass dieses Gemälde tatsächlich jenes sei, das dem Anspruchsteller abhanden gekommen ist. "Über diese Zweifel kann man sich nicht einfach hinwegsetzen." Daher bleibe es vorerst bei der Staatsanwaltschaft Augsburg in treuhänderischer Verwahrung, damit es nicht an den Falschen restituiert wird.

"Sitzende Frau" von Henri Matisse aus der Gurlitt-Sammlung
Mehrere Anspruchsteller für die "Die Sitzende Frau" von Henri MatisseBild: picture-alliance/dpa