Sieben Jahre ohne Gehalt
16. Mai 2017Pünktlich 7.30 Uhr morgens erscheint Bernardino Santos Manu zur Arbeit im Postamt. Wie jeden Tag begrüßt er vor dem riesigen Gebäude im Zentrum der Hauptstadt Bissau seine Kollegen. Und dann ist der spannendste Teil seines Arbeitstages auch schon vorbei.
Kaum einer der 137 Mitarbeiter hier hat noch etwas zu tun. Auf dem Schreibtisch von Manu liegen drei leere Listen, ein Tacker und ein Locher. Gut sortiert, aber es gibt eigentlich auch nichts zum Sortieren. Nur noch wenige Briefe kommen hier an. Die Technologie hat die Post überrollt. "Früher gab es viele Kunden", erinnert sich Manu mit leuchtenden Augen. „Tausende Briefe wurden ins Ausland geschickt." Die Bewohner kamen zur Post um Telefonate ins Ausland zu führen. „Früher war es wirklich gut!" Dann kamen Faxgeräte, Mobiltelefone, Soziale Medien. Und mit ihnen das Ende der Post.
90 Monate ohne Gehalt
„Der Staat subventioniert die Post nicht mehr und hat sie dem freien Fall überlassen", sagt ein enttäuschter Manu, der nun schon seit 16 Jahren für die Post arbeitet. Aber am schlimmsten für ihn und seine Kollegen ist, dass sie seit siebeneinhalb Jahren kein Gehalt mehr bekommen haben. „Ich überlebe dank der Hilfe von Verwandten und Freunden. Wenn ich ihnen von meiner misslichen finanziellen Lage erzähle, dann erbarmen sich einige und geben mir etwas, um meiner Familie das Auskommen zu sichern", sagt Manu, der auch seine Kollegen in der Gewerkschaft der Postmitarbeiter vertritt.
Die Post von Guinea-Bissau, sie ist ein Sinnbild für die Krise in einem der ärmsten Länder Afrikas. Nach jahrelangen politischen Krisen und Militärputschen gab es 2014 große Hoffnungen. Die Partei der ehemaligen Befreiungsbewegung Guinea-Bissaus und der Kapverden (PAIGC) gewann die Wahlen. Präsident José Mário Vaz und Premierminister Domingos Simões Pereira sollten das Land in eine bessere Zukunft führen. Im März 2015 sagte die internationale Gemeinschaft auf einer Geberkonferenz dem Land mehr als eine Milliarde Euro Hilfsgelder zu. Doch das Geld wurde nie gezahlt, denn Vaz und Pereira verkrachten sich. Der Präsident entließ eigenmächtig den Premier – und brachte damit auch seine eigene Partei gegen sich auf.
Kein Budget, kein Ausweg
Das Parlament weigerte sich, dem Regierungsprogramm zuzustimmen. Es wurde noch nicht mal ein Budget verabschiedet. Drei weitere Premierminister mussten bereits gehen. Die Regierung ist handlungsunfähig. „Wir haben einen Präsidenten, der alle Macht an sich reißen will", sagt Joao Bernando Vieira, Sprecher der PAIGC. „Er glaubt, dass alle anderen korrupt sind und er die einzige ehrliche Person in diesem Land ist. Aber unsere Verfassung ist klar: sie definiert die Gewaltenteilung."
Vieira sieht vorzeitige Neuwahlen als den besten Ausweg. Aber der Präsident denkt nicht daran. „Der Zug hat sich bereits in Bewegung gesetzt – und keine Macht der Welt kann ihn mehr aufhalten", sagt Braima Camara, ein enger Vertrauter und Berater von Präsident Vaz. „Diese Regierung wird bis zum Ende regieren." 2018 soll in Guinea-Bissau ein neues Parlament gewählt werden, 2019 ein neuer Präsident.
ECOWAS droht mit Sanktionen
Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS versucht zu vermitteln – verliert aber auch langsam die Geduld. Nach langen Verhandlungen unterschrieben die zerstrittenen Fraktionen innerhalb der Regierungspartei im Oktober 2016 in Conakry eine Einigung. Darin stimmten beide Seiten zu, gemeinsam einen Premierminister zu bestimmen. Das ist bis heute nicht geschehen, und jeder macht die andere Seite dafür verantwortlich. Die ECOWAS droht mittlerweile mit Sanktionen, wenn die Einigung von Conakry nicht bis Ende Mai umgesetzt wird.
Bernardino Santos Manu kann über das politische Hin und Her nur den Kopf schütteln. Die immer wiederkehrende Instabilität zerstöre das Land, sagt der Postbeamte. Der 56-Jährige will trotzdem weiter dafür kämpfen, dass er und seine Kollegen endlich das Gehalt bekommen, das ihnen zustehe. Optimistisch ist er nicht. Sechs seiner Kollegen sind bereits gestorben, während sie auf ihre Gehälter warteten. Einige konnten sich dringend notwendige Medizin nicht leisten.