Guatemala: Streit um UN-Korruptionsermittler
29. August 2017Durch seine Anordnung, den UN-Korruptionsermittler Iván Velasquez auszuweisen, hat der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales sein Land an den Rand einer ernsten politischen Krise gebracht. Neben den USA, Kanada, der Schweiz und zahlreichen Ländern der EU bedauert auch die Deutsche Botschaft in Guatemala in einer offiziellen Stellungnahme die Entscheidung von Jimmy Morales.
Erst vor zwei Jahren hatte sich der damalige Präsident Otto Pérez Molina für ein Ende der Arbeit der Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) eingesetzt. Kurze Zeit später musste er aufgrund von Korruptionsvorwürfen durch die CICIG sein Amt räumen. Heute sitzt er in Untersuchungshaft. Schon damals hatte Pérez Molina dem CICIG-Chef Velásquez vorgeworfen, sich zu sehr in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Dieser Vorwurf dient nun auch Jimmy Morales als Begründung, den unbequemen Ermittler des Landes zu verweisen.
Den Ermittler loswerden, der gegen den Präsidenten ermittelt
Das Problem dabei: Erst kürzlich ist Morales selbst ins Visier der CICIG-Ermittler geraten. Aufgrund des Verdachts der illegalen Wahlkampffinanzierung hat die CICIG gemeinsam mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft vergangene Woche die Aufhebung der Immunität des Präsidenten beantragt. "Jimmy Morales steckt in einem Interessenkonflikt, weil er sich genau der Person entledigen will, die maßgeblich an den aktuellen Untersuchungen gegen ihn beteiligt ist", sagt der guatemaltekische Kolumnist und Soziologe Gustavo Berganza.
In den vergangenen zwei Jahren ist die CICIG gemeinsam mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft mit großer Konsequenz gegen korrupte Unternehmer und Politiker vorgegangen. Bisher prominentestes Opfer des rechtsstaatlichen Durchgreifens war der ehemalige Präsident Otto Pérez Molina. Aufgrund der aktuellen Ermittlungen gegen Jimmy Morales könnte ihn nun ein ähnliches Schicksal ereilen. Die Entscheidung des Präsidenten, den UN-Chefermittler Velásquez auszuweisen, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie: Als Politik-Newcomer war Morales vor zwei Jahren vor allem deshalb an die Macht gekommen, weil er sich als ehrlicher und volksnaher Politiker fernab der korrupten politischen Klasse präsentierte.
Was also hat den Präsidenten zu seiner umstrittenen Entscheidung veranlasst? Das Verhältnis zwischen Morales und der CICIG ist schon seit längerem nicht mehr ungetrübt. So haben Staatsanwaltschaft und CICIG bereits vor Monaten in einem weiteren Korruptionsfall gegen den Sohn und Bruder des Präsidenten ermittelt - und auch Jimmy Morales damit in eine äußerst unangenehme Lage gebracht. Zudem ist es keineswegs so, dass die Bekämpfung der Korruption im Land nur Beifall findet. "Der Präsident ist umgeben von einer Gruppe von Leuten, die daran interessiert sind, dass Staatsanwaltschaft und CICIG in ihrer Ermittlerfunktion systematisch geschwächt werden", sagt Gustavo Berganza. Zu dieser Gruppe gehörten beispielsweise Unternehmer und Abgeordnete, gegen die aktuelle staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen.
Kampf gegen Korruption "kann verloren gehen"
Das guatemaltekische Verfassungsgericht hat die Anordnung des Präsidenten zunächst vorläufig zurückgewiesen. "Der Präsident muss das aktuelle Urteil befolgen", sagt Álvaro Montenegro vom zivilgesellschaftlichen Bündnis "JusticiaYa" (Gerechtigkeit Jetzt). Sollte er dies nicht tun, könne es zu größeren Protesten kommen, die zum Rücktritt des Präsidenten führen würden, so Montenegro. Das endgültige Urteil der Verfassungsrichter steht allerdings noch aus - und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Anordnung des Präsidenten vom Gericht doch noch stattgegeben wird.
Auch was die Ermittlungen gegen Jimmy Morales wegen illegaler Wahlkampf-Finanzierung angeht, ist noch völlig offen, wie es weitergeht. Die Immunität kann dem Präsidenten nur vom Parlament entzogen werden, dort aber gibt es neben der großen Fraktion der Regierungspartei auch zahlreiche weitere Abgeordnete, die der Arbeit der CICIG kritisch gegenüberstehen. Der Kampf gegen die Korruption, der in den vergangenen zwei Jahren unaufhaltsam erschien, ist nun an einem entscheidenden Punkt angekommen. "Dieser Kampf kann noch verloren gehen", sagt Gustavo Berganza. "Wenn Iván Velásquez gehen müsste, wäre das ein verheerendes Signal für alle, die ihn unterstützen."