Guantanamo bleibt ein Problem für Obama
14. August 2010In dieser Woche ist der ehemalige Koch von Terroristenführer Osama bin Laden verurteilt wurden, und der Prozess gegen einen Terrorismusverdächtigen aus Kanada hat begonnen. Dabei handelt es sich um die ersten Prozesse gegen Häftlinge in dem umstrittenen US-Gefangenenlager auf Kuba in der Amtszeit von Barack Obama. Der US-Präsident hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, die Gerichtsverfahren transparenter zu machen. Jedoch blieb bereits bei dem ersten Prozess gegen den ehemaligen Koch von bin Laden einiges unklar.
Verwirrende Informationen, keine Transparenz
Zunächst verbreiteten Nachrichtenagenturen die Meldung, Ibrahim Mohammed Al-Qosi, der unter bin Laden unter anderem als Koch, Fahrer, Leibwächter, Buchhalter und Versorgungschef gearbeitet hatte, sei nicht von einem Militärtribunal verurteilt worden, da sich Anklage, Verteidigung und Gericht untereinander auf eine Strafe geeinigt hätten. Grund für diese spezielle Vereinbarung war, dass sich Al-Qosi zuvor schuldig bekannt hatte. Die Strafe sollte auf Wunsch der Regierung geheim bleiben und erst nach der Haftentlassung Al-Qosis öffentlich gemacht werden.
Später hieß es dann, eine Jury aus zehn US-Offizieren habe den Sudanesen zu 14 Jahren Haft verurteilt. Angeblich soll die Jury die Entscheidung getroffen haben, ohne mit den Details der Geständnisvereinbarung vertraut gewesen zu sein. Richterin Nanca Paul soll der Jury vorher mitgeteilt haben, die Jury könne Al-Qosi zu einer Haftstrafe zwischen zwölf und 15 Jahren verurteilen. Einige Medien berichteten, dass dieser Strafrahmen deutlich über der Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Schuldeingeständnis gelegen habe. Die achteinhalb Jahre, die Al-Qosi bisher in Guantanamo in Haft verbracht hat, würden nicht angerechnet. Außerdem gab es die Meldung, das US-Verteidigungsministerium würde die Strafe letztendlich in den kommenden Wochen überprüfen.
Einige Medien berichteten schließlich, der Sudanese müsse nur noch zwei Jahre im Minimum-Sicherheitsbereich von Guantanamo bleiben und würde dann in seine Heimat abgeschoben. Von andere Stelle hieß es, in welchem Gefängnis der Sudanese die Strafe absitzen müsse, werde erst 60 Tage nach Bekanntgabe des Strafmaßes endgültig entschieden. Mit der von Obama angekündigten Transparenz ist diese Verwirrung kaum vereinbar.
Fall des "Kindersoldaten" problematisch
Im Zentrum des zweiten Prozesses steht der gebürtige Kanadier Omar Khadr. Er soll im Alter von 15 Jahren mit einer Handgranate einen US-Soldaten getötet haben. Das war vor gut achteinhalb Jahren. Seitdem sitzt der heute 23-Jährige in Guantanamo in Haft. US-Menschenrechtler kritisieren, dass der Angeklagte bei der Festnahme erst 15 gewesen sei, ein "Kindersoldat". Der Anwalt des Angeklagten, Denis Edney, nannte es "schändlich", dass Aussagen von Khadr, die unter Zwang entstanden sind, im Prozess berücksichtigt würden.
Bereits im April hatten US-Agenten zugegeben, Omar Khadr unter anderem mit Schlafentzug zu Aussagen gezwungen zu haben. Zudem sei ihm eine Vergewaltigung angedroht worden. Die Anklage versicherte, sie werde nur Geständnisse verwenden, die Khadr eindeutig freiwillig gemacht habe. Der Armeejurist Jon Jackson, der Khadrs Rechte vertreten soll, sparte ebenfalls nicht mit Kritik an dem Militärtribunal: "Als Präsident Obama gewählt wurde, wollte er Guantanamo und den Militärkommissionen ein Ende bereiten. Stattdessen schreibt Obama nun das nächste Kapitel in der erbärmlichen Geschichte der Militärkommissionen. Obamas Militärkommission wird als Verfahren gegen einen Kindersoldaten in die Geschichte eingehen."
Obama in der Zwickmühle
Am zweiten Tag seiner Amtszeit hatte US-Präsident Barack Obama angekündigt, das Gefangenenlager in Guantanamo innerhalb eines Jahres, also bis Ende Januar 2010 zu schließen. Ein gutes halbes Jahr später ist es mit rund 200 Insassen immer noch in Betrieb. Und auch die Ankündigung, Militartribunale durch Verfahren vor zivilen Strafgerichten zu ersetzen, hat Obama noch nicht in die Tat umgesetzt.
Johannes Thimm von der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik erläutert das Dilemma im Gespräch mit DW-WORLD.de: "Um die Zustimmung der Republikaner zu erreichen, verurteilte Gefangene aus Guantanamo in US-Gefängnisse zu überführen, ist Obama der Forderung der Republikaner nachgekommen, stärker auf Militärtribunale zurückzugreifen als ursprünglich beabsichtigt."
Das führe dazu, dass Obama als weniger glaubwürdig wahrgenommen werde. Zusätzlich brächten die Militärtribunale neben mangelnder Transparenz und daran festgemachter Kritik vor allem aus dem europäischen Ausland noch ein weiteres Problem mit sich, sagt Johannes Thimm: "Beim zivilen Strafrecht ist alles genau geklärt - hier nicht. Regelungen befinden sich hier noch im Fluss." Die an den Militärtribunalen Beteiligten könnten sich also nicht wie sonst auf zahlreiche vorige Prozesse berufen.
Wohin mit den Gefangenen?
Für Obamas zweites Problem, die Verzögerungen im Bezug auf die Schließung des Gefangenenlagers, gibt es derzeit ebenfalls keine Lösung. Denn er weiß nicht, wohin mit den Gefangenen: "So wie die Gesetzeslage jetzt ist, darf Obama keine Gefangenen aus Guantanamo nach Amerika bringen", sagt Johannes Thimm. "Obama kann sein Ziel, Guantanamo zu schließen, nicht ohne den Kongress erreichen." Guantanamo wird also noch auf unbestimmte Zeit weiter bestehen. Und auch Prozesse vor dem Militärtribunal wird es wohl noch geben.
Autor: Marco Müller (dpa, apn, afp, rtr)
Redaktion: Marko Langer/Reinhard Kleber