Van der Bellen wird Präsident
23. Mai 2016Das Ergebnis ist denkbar knapp: Der von den Grünen unterstützte Kandidat Alexander Van der Bellen hat die Bundespräsidentenwahl in Österreich mit 50,3 Prozent der Stimmen gwonnen. Das teilte Innenminister Wolfgang Sobotka in Wien nach Auszählung der Briefwahlstimmen mit. Sein Herausforderer Nordert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ kam auf 49,7 Prozent. Den Ausschlag haben damit rund 30.000 Wählerstimmen gegeben.
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte seine Niederlage kurz zuvor bereits auf Facebook eingeräumt. "Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst", schrieb der 45-Jährige.
Auf die Briefwähler kam es an
Das Ergebnis nach Auszählung der Briefwahl-Stimmen war mit großer Spannung erwartet worden. Nach der Auszählung der Urnen am Sonntag hatten die beiden Kandidaten fast gleichauf gelegen: Demnach kam Hofer auf fast 51,9 Prozent Stimmenanteil, der 72-jährige langjährige Grünen-Vorsitzende Alexander Van der Bellen auf 48,1 Prozent. Zwischenzeitlich hatte Van der Bellen vorn gelegen. Die rund 700.000 Briefwahlstimmen, deren Auszählung nun erst beendet wurde, wurden damit zum Zünglein an der Waage.
Dass die Briefwähler das Ergebnis noch einmal drehen könnten, war insofern nicht unwahrscheinlich gewesen, als traditionell eher gut gebildete Städter per Briefwahl abstimmen. Erste Nachwahlanalysen hatten ergeben, dass Hofer bei den männlichen Wählern und in ländlichen Gebieten sowie bei Arbeitern besonders gut abschnitt. Van der Bellen lag bei den jungen und städtischen Wählern vorn.
Schlappe für die traditionellen Parteien
Der Einzug eines Grünen-Politikers in die Wiener Hofburg ist ein Novum. Van der Bellen war in der ersten Wahlrunde am 24. April mit 21,3 Prozent klar hinter Hofer mit 35 Prozent der Stimmen gelandet, doch erhielt er seitdem die Unterstützung der Linken und des Zentrums. Auch der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte sich hinter ihn. Da keiner der Spitzenkandidaten die absolute Mehrheit errungen hatte, mussten sie in die Stichwahl.
Die Kandidaten der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP hatten bei der ersten Runde weit abgeschlagen gelegen. Unter anderem wegen des SPÖ-Debakels war der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten. Mit Hofer und Van der Bellen stand erstmals seit 1945 kein Kandidat der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP in der Stichwahl. Der sozialdemokratische Amtsinhaber Heinz Fischer konnte nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten.
Flüchtlingskrise zentrales Thema im Wahlkampf
Wichtigstes Thema im Wahlkampf war die Flüchtlingskrise. Der Wirtschaftsprofessor Van der Bellen hatte davor warnt, dass der Rechtspopulist Hofer das Land nicht würdig repräsentieren würde, als Präsident würde dieser Österreichs Ansehen im Ausland schaden. Immer wieder verwies er in diesem Zusammenhang auch auf den EU-kritischen Kurs der FPÖ.
Schon als Grünen-Chef (bis 2008) hatte sich Van der Bellen für eine offene, multikulturelle Gesellschaft ausgesprochen. Viele bekannte Gesichter aus Theater, Fernsehen und Literatur unterstützten den links-liberalen Präsidentschaftskandidaten öffentlich.
Der gelernte Flugzeugingenieur Hofer setzte dagegen auf den Schutz der österreichischen Grenzen vor illegaler Einwanderung. Er wendet sich gegen den Verlust österreichischer Werte durch "die neue Völkerwanderung" und ließ auf sein Wahlplakat den Slogan "Deine Heimat braucht Dich jetzt" drucken. Andererseits wirkte Hofer als Stellvertreter von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in den vergangenen Jahren darauf hin, dass die Freiheitliche Partei einen gemäßigteren Ton als früher anschlägt. Offen fremdenfeindliche und antisemitische Äußerungen sind seltener geworden. Dennoch: Mit Hofer wäre erstmals ein Rechtspopulist zum Präsidenten Österreichs gewählt worden.
Eher repräsentative Funktion
Die Wahlbeteiligung lag mit 72 Prozent deutlich höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl 2010. Die Amtseinführung des neuen Bundespräsidenten ist für den 8. Juli vorgesehen.
Grundsätzlich hat der auf sechs Jahre gewählte Bundespräsident eine vorwiegend repräsentative Funktion. Zwar kann er den Bundeskanzler entlassen und das Parlament auflösen. Allerdings ist es noch nie vorgekommen, dass ein Bundespräsident die Regierung entließ. Hofer hatte im Wahlkampf Spekulationen über ein rabiates Auftreten im Amt genährt, indem er sagte, es werde noch Verwunderung darüber geben, "was alles gehen wird".
chr/stu (afp, dpa)