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Grüne: Bestrafte Homosexuelle entschädigen

8. August 2016

In der Bundesrepublik wurden in den 1950er und 60er Jahren 50.000 Männer wegen Homosexualität zu Haftstrafen verurteilt - und bislang nicht rehabilitiert. Für die Grünen ist das ein "monströser Schandfleck".

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Symbolbild Homosexualität in Deutschland (Foto: picture-alliance/dpa/D. Naupold)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

In einem Gesetzentwurf der grünen Bundestagsfraktion heißt es: "Für nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilte steht eine verfassungsgebotene Rehabilitierung noch aus. Das ist ein monströser Schandfleck unseres Rechtsstaates."

Ziel sei eine individuelle und eine kollektive Entschädigung, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul. Als Anerkennung für das erlittene Unrecht sollen in Deutschland verurteilte Schwule "in einem unbürokratischen Verfahren eine einmalige Zahlung sowie eine dauerhafte Rente erhalten können". Dies solle über einen Fonds finanziert werden, sagte Keul.

Überparteilicher Konsens angestrebt

Darüber hinaus werde ein kollektiver Entschädigungsausgleich angestrebt, etwa durch Maßnahmen der historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung. Keul betonte, dass es zudem nicht nur um die Verurteilten nach Paragraf 175 gehe. Das Gesetz müsse auch diejenigen bedenken, "die nicht verurteilt wurden, aber wegen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ihre Arbeit oder ihre Wohnung verloren haben".

Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul (Foto: Bündnis 90/ DIie Grünen)
Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja KeulBild: Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

Trotz des hohen Alters vieler Betroffener haben die Grünen ihren Gesetzentwurf jedoch bewusst noch nicht vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht. Ein überparteilicher Konsens in dieser Frage sei sehr wichtig, erklärte Keul. Bis zum Ende der Sommerpause sollten jedoch die Weichen zu einer schnellen Entschädigung gestellt werden.

Lesbisch-Schwule-Bisexuelle-Transgender-Gruppe

Die Linksfraktion im Bundestag begrüßte die Initiative ausdrücklich, verwies aber zugleich auf einen eigenen Gesetzentwurf. Dieser sei in Absprache mit Mitgliedern aller Fraktionen zunächst der überfraktionellen LGTBI-Abgeordnetengruppe zugesandt worden, sagte der Linken-Abgeordnete Harald Petzold. LGTBI ist die Abkürzung für die englisch-sprachige Bezeichnung "Lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex".

Die Lesbisch-Schwulen-Bisexuellen-Transgender-Gruppe bestehe seit 2014 und befinde sich in einem intensiven Dialog über die Ausgestaltung eines Entschädigungsgesetzes, etwa mit dem Bundesverband schwuler Senioren. "Das Vorpreschen einer Oppositionspartei allein erscheint uns in der Sache derzeit nicht hilfreich", sagte Petzold weiter.

Von Justizminister Maas kamen bisher nur Eckpunkte

Aus Kreisen der Unionsparteien hieß es, man wolle sich nach der Sommerpause zum Gesetzentwurf der Grünen positionieren. Derzeit befinde man sich dazu in der internen Diskussion. Ein Sprecher der SPD-Fraktion sagte, der Gesetzesvorschlag der Grünen sei noch nicht im Detail bekannt und könne daher auch noch nicht bewertet werden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte im Mai einen eigenen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung verurteilter Homosexueller angekündigt. Bislang hat das Ministerium aber nur ein Eckpunktepapier formuliert.

In der Bundesrepublik wurden bis zur Entschärfung des Paragrafen 175 im Jahr 1969 nach Schätzungen rund 50.000 Männer zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Danach wurden noch einmal etwa 3500 Männer eingesperrt. Endgültig abgeschafft wurde die Regelung erst im Jahr 1994. In der DDR galt der "Schwulenparagraf" bis 1968. Der Paragraf 175 stammt aus der Zeit des Kaiserreichs und wurde 1935 von den Nationalsozialisten verschärft. Die Urteile gegen Homosexuelle in der NS-Zeit waren bereits 2002 per Gesetz des Bundestages aufgehoben worden.

sti/gri (dpa, epd)