Grüne gegen schärfere Sicherheitsgesetze
10. Januar 2017Bevor der Bundesvorstand der Grünen in Berlin in Klausur ging, genehmigte er sich eine Fahrt in einem ganz besonderen Kleinbus - einem autonomen Gefährt ohne Fahrer. "Es fährt in eine Richtung", kommentierte die Parteivorsitzende Simone Peter die kurze Reise - und wollte damit wohl andeuten, dass ihre Partei es im Wahljahr 2017 möglichst ebenso halten solle.
Dass die Grünen in der letzten Zeit alles andere als geschlossen wirkten, lag nicht zuletzt an der Parteichefin selbst: Für eine kritische Bemerkung über die Personenkontrollen der Kölner Polizei in der Silvesternacht erntete Simone Peter einen Sturm der Entrüstung. Kein anderer prominenter Grüner teilte ihre Meinung. Später räumte sie ein, die Lage vorschnell beurteilt zu haben.
Eine Partei, viele Meinungen
Ihrer Partei hat Peter damit in zweifacher Hinsicht einen schlechten Dienst erwiesen: Zum einen zeigte sich einmal mehr, dass die Pluralität der Meinungen bei den Grünen verwirrend für die Wähler sein kann. Angesichts von Dissonanzen zwischen Vertretern der beiden Parteiflügel, den Linken und den sogenannten "Realos", fragen sich viele, wofür die Partei eigentlich steht. Das kann nicht im Sinne der Grünen sein, die im Bund gerne wieder Regierungsverantwortung übernehmen würden, derzeit in den Umfragen aber bei dürftigen neun Prozent liegen.
Zum anderen werden Schnellschüsse wie der von Simone Peter als Negativ-Profilierung beim Thema "Innere Sicherheit" wahrgenommen - bei einer Materie, bei der viele Wähler den Grünen ohnehin keine große Kompetenz zutrauen. Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, dass die Grünen "Teil des Sicherheitsproblems" seien, könnten sie viele Wählerstimmen verlieren, hatte kürzlich Boris Palmer gewarnt, grüner Oberbürgermeister von Tübingen.
"Kein Überbietungswettbewerb"
Wie also sieht das sicherheitspolitische Konzept der Grünen aus? Kernpunkt ist die Forderung nach einer Aufstockung und besseren Ausstattung der Polizei. In den Bundesländern, in denen sie mitregieren, setzt die Partei das bereits um. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Unter der rot-grünen Landesregierung würden jährlich knapp 2.000 Polizisten eingestellt, berichtete Grünen-Politikerin Sylvia Löhrmann, stellvertretende Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Das seien viermal so viele wie unter der Vorgängerregierung.
Ansonsten hält sich die Partei mit Forderungen nach einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze zurück. "Wir beteiligen uns nicht an dem Überbietungswettbewerb der Parteien", sagte der Parteivorsitzende Cem Özdemir - und meinte die zahlreichen möglichen Gesetzesänderungen, die seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt diskutiert werden. "Jeder, der neue Vorschläge macht, muss belegen, dass es im geltenden Recht Lücken gibt."
Ein Fall wie der des Attentäters Anis Amri, dessen Gefährlichkeit von Sicherheitsbehörden falsch eingeschätzt wurde, dürfe sich nicht wiederholen, betonen auch die Grünen. Für sie ist das allerdings keine Frage schärferer Gesetze, sondern des besseren Vollzugs. Dass hier Fehler gemacht wurden, liege in der Verantwortung der Regierungsparteien. Daten über sogenannte "Gefährder" müssten sowohl innerhalb Deutschlands als auch in der EU besser ausgetauscht werden. Eine Fußfessel hingegen hätte in diesem Fall nicht geholfen, ist Parteichef Özdemir überzeugt. Wenn die Bundesregierung die Pannen im Fall Amri nicht lückenlos aufkläre, dann sei ein Untersuchungsausschuss denkbar.
Kein massenhaftes Sammeln von Daten
Auch die Forderung nach einer breiten Videoüberwachung in Großstädten sehen die Grünen kritisch. Sinnvoll sei das lediglich an Kriminalitätsschwerpunkten und bei Großveranstaltungen. "Wir wollen keine massenhafte Überwachung der Gesellschaft", betonte Özdemir. "Die anlasslose Überwachung steht nicht auf den Füßen des Grundgesetzes", ergänzte Simone Peter.
Was potenzielle "Gefährder" aus Tunesien, Algerien und Marokko angeht, plädieren die Grünen für Rücknahme-Abkommen, die an Hilfen für die betreffenden Länder gekoppelt sind. Die generelle Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer, die die Bundesregierung durchsetzen möchte, lehnt die Partei ab. Da die Grünen in elf Bundesländern mitregieren, konnte das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz die Länderkammer, den Bundesrat, bisher nicht passieren. Aber auch hier sind nicht alle in der Partei einer Meinung: Winfried Kretschmann, einflussreicher Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht sich, anders als seine Parteifreunde, für das Gesetz aus. Im Umgang mit "Gefährdern" will Kretschmann "bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen gehen", wenn das erforderlich sei.