Grüne Farbe gegen Dürre
12. Juni 2009Über dem Asphalt der vierspurigen Strasse zur Wohnsiedlung "Monument Ranch" flimmert die Luft. Felder und Wiesen am Straßenrand sind bis auf ein paar trotzige Unkrautbüschel komplett verbrannt. Vom wolkenlosen Himmel brennt die Sonne auf die menschenlose Kulisse einer Geisterstadt.
Durch die Siedlung imposanter Einfamilienhäuser, die alle etwas anders und doch irgendwie alle gleich aussehen, dröhnt der Motor eines Generators. Der steht auf einem sorgsam mit Plastikfolie abgedeckten Bürgersteig vor einem völlig ausgetrockneten Vorgarten.
Von Ödnis zu saftiger Wiese
Neben dem Generator steht ein Rieseneimer, gefüllt mit smaragdgrüner Farbe. Ein Schlauch saugt die Farbe ab und leitet sie in eine Spritzdüse in der Hand von Dave Milligan. Der leicht übergewichtige Mitt-Fünfziger in grasgrünem T-Shirt und Shorts verwandelt wüstengleiche Ödnis in eine saftig strahlende Wiese. Zumindest wirkt das so, wenn man nicht so genau hinsieht. "In diesem Fall werden wir vermutlich wie beim Nachbargrundstück zwei Farbschichten auftragen, um den richtigen Ton zu treffen", erklärt der Geschäftsmann. Mit einer Schicht Farbe bleibe es leicht gelblich. Sein Ziel ist, dass die Wiese echt aussieht und die Farbe lange hält.
Milligan und seinen drei Mitarbeitern läuft der Schweiß über das Gesicht, während sie bei über 35 Grad vor dem leerstehenden Haus Bürgersteige abkleben, Unkraut ausreißen, lockeres Gras vom Boden blasen und Schritt für Schritt den Vorgarten färben. Vorarbeiter Bruce Cooney mischt die Farbe. Sie ist biologisch abbaubar, trittfest, regensicher, passend zum Grün, das vom Nachbargarten übrig ist und abgestimmt auf den Untergrund. Es ist Farbe, die auf Golfplätzen, Football- und Baseballplätzen benutzt wird. Man kauft sie in großen Behältern und mischt sie mit Wasser. "Manchmal brauch ich mehr Farbe, manchmal weniger, das hängt davon ab, wie tot das Gras ist. Es soll ja richtig echt aussehen", beschreibt der gelernte Maurer seine neue Arbeit.
Berglöwen in leerstehender Villa
Mehr als ein tausend Häuser in der Stadt Perris stehen wegen der Immobilienkrise leer. Dutzende sind verbarrikadiert, Fensterscheiben gebrochen, Wände mit Graffiti beschmiert. In einer Villa mit verdörrtem Palmengarten und ausgetrockneten Pool residierte tagelang eine Berglöwenfamilie.
Der Stadtrat rief zur Krisensitzung, beschloss Finanzierungshilfen, Wohnprogramme - und die Extremmaßnahme: Aufträge für Milligans Firma "Insta-Green", Wiesen grün zu spritzen. Für 500 Dollar pro Vorgarten. "Das ist billiger als wässern und angesichts der Wasserknappheit umweltfreundlicher", erklärt Stadträtin Joanne Evans. Denn Perris liegt in wüstenähnlichem Klima. Vor Jahrzehnten gab es hier guten, feuchten Ackerboden. Doch wegen der anhaltenden Trockenheit müssen jetzt alle sorgsam mit dem Wasser umgehen.
Florierende Zukunft?
Der Stadtrat hofft, dass Häuser mit grün gespritzten Vorgärten mehr potentielle Käufer anlocken. Und weniger Vandalen. Doch eine Nachbarin und ihr Sohn schauen skeptisch auf das künstliche Grün gegenüber. Geena Rodriguez hat ihr Haus vor zwei Jahren für 450.000 Dollar gekauft. Jetzt ist es nur noch die Hälfte wert. Grüne Farbe hilft da nur bedingt. "Es sieht besser aus, nicht so verlassen", gibt sie zu. "Obwohl man die Farbe sieht, sieht es besser aus."
Der Insta-Green-Chef geht davon aus, dass sein Geschäft mit der grünen Farbe noch lange floriert. Er ist sicher, dass es auch nach dem Ende der Immobilienkrise in Kalifornien nie an ausgetrockneten Wiesen mangeln wird - wegen der anhaltenden Trockenheit. "Es gibt viele Produkte, mit denen man Gärten verschönern kann", deutet er seine Zukunftspläne an. "Ich kann mit der Stadt arbeiten, mit Banken und Immobilienmaklern. Wenn sie ein Sportfeld angemalt haben wollen - das können wir auch!"
Dass sich hier niemand ernsthaft an der künstlichen Begrünung stört, liegt vielleicht auch daran, dass die Filmkulissen Hollywoods gar nicht weit weg sind.
Autorin: Kerstin Zilm
Redaktion: Anna Kuhn-Osius