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"Himmelreich auf Erden"

Nicolas Martin6. Juni 2016

Die Schweizer haben gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen gestimmt. Der Unternehmer Götz Werner erklärt im DW-Interview, warum er gerade jetzt an das Modell glaubt und warum wir dadurch produktiver werden.

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Geld regnet vom Himmel. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Müller

Herr Werner, Sie sind 72 Jahre alt. In einem Interview haben gesagt, dass Sie das Grundeinkommen noch erleben werden. Nach dem Nein in der Schweiz: Hat sich an dieser Einstellung etwas geändert?

Das Thema ist deshalb nicht vom Tisch. Die Schweizer fangen jetzt erst richtig an, darüber zu diskutieren. Das ist ja eine Weltidee, die auch für Europa eine besondere Bedeutung hat und immer virulenter werden wird. Das Grundeinkommen ist heute eine Utopie. Aber eine Utopie ist nichts Negatives. Alles, was heute Realität ist, war früher eine Utopie. Deswegen geht es darum, dass wir Utopien Formen verleihen, die man realisieren kann und da wird es auch Tests geben und Versuchsstadien. Aber es braucht Geduld und Beharrlichkeit - das führt dann zum Ziel.

Ihre Enkelkinder haben bestimmt auch schon gefragt, warum Sie sich so sehr für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Wie erklären Sie denen, warum Ihnen das so wichtig ist?

Ich sehe, dass das früher oder später kommen muss. Der Mensch lernt bekanntlich durch Einsichten oder durch Katastrophen. Und wenn wir im sozialen Bereich eine Katastrophe verhindern wollen, dann müssen wir unser Verhalten verändern. Wir können nicht einfach so mit unserem technologischen Fortschritt weiter machen. Das führt dazu, dass immer mehr Arbeit verschwindet und gleichzeitig auch die Einkommen verschwinden.

Momentan ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf einem sehr geringen Niveau.

Das ist kein Argument!

Warum nicht?

Weil das nur vorübergehend und kurzzeitig ist. Wenn Sie das in die Zukunft denken und überlegen, dass immer mehr Maschinen und Roboter die Arbeit übernehmen, dann sind die Arbeitsplätze weg. Das ist nicht die eigentliche Katastrophe. Die besteht darin, dass dann auch das Einkommen weg ist und deswegen müssen wir uns überlegen: Wo kommt das Einkommen her?

Götz Werner deutscher Manager Gründer Drogeriemarkt-Kette dm (Foto: picture-alliance/dpa/U. Deck)
Götz Werner: "Es muss früher oder später kommen."Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Jetzt braucht der Mensch aber auch einen gewissen Antrieb und das ist im Kapitalismus oft ein monetärer Antrieb.

Da muss ich Ihnen widersprechen. Ich habe ein Unternehmen aufgebaut und die Menschen arbeiten nicht wegen des monetären Antriebs, sondern weil sie sich einbringen und ausdrücken wollen. Darauf müssen sie als Unternehmer setzen.

Also Sie glauben, dass ihre Enkelkinder auch dann noch Lust hätten zu arbeiten, wenn ihnen ein Grundeinkommen sicher sein wird?

Natürlich! Die würden doch viel mehr arbeiten. Das wirkt wie ein Beschleuniger - ein Arbeitsbeschleuniger. Immer wenn ich am Monatsende ein Startkapital habe, kann ich wieder loslegen.

Ich könnte mich ja auch einfach zurücklehnen und sagen: Gut, die 1000 Euro habe ich, und mehr mache ich auch nicht.

Das halten Sie nicht durch. Das können Sie gerne mal ausprobieren! Der Mensch ist ein Tätigkeitswesen und kein Faulheitswesen.

Und wer macht dann die Jobs, die eigentlich keiner so gerne macht? Beispielsweise an der Kasse sitzen oder den Müll zusammenkehren?

Sie sehen dass zu kurz: Es werden alle Jobs verrichtet, denen wir eine Wertschätzung entgegenbringen. Wenn sie etwas wertschätzen, dann finden sie auch Menschen, die diesen Job machen.

Wie soll denn das ganze Geld für ein Grundeinkommen zusammenkommen?

Weil wir mehr arbeiten. Schauen Sie mal: Wenn alle Menschen nur noch das arbeiten, was sie wollen und nicht dass, was sie müssen, dann würde viel mehr produziert. Wir haben heute Verhältnisse, die Leistung verhindern. Das kapitalistische Prinzip - so wie wir das verstehen - das fördert keine Arbeit, sondern verhindert sie. Nur Bezahlung ist zu wenig - wenn sie den Menschen in der Arbeit Sinn vermitteln, dann sind die voll dabei. Stellen Sie sich mal vor, in der ganzen Gesellschaft, gäbe es nur noch Menschen, die Dinge tun, weil sie wollen und nicht weil sie müssen. Das wäre das Himmelreich auf Erden.

Götz Wolfgang Werner ist Gründer der Drogeriemarktkette DM. 35 Jahre war er Chef des Unternehmens. Heute ist der 72-Jährige Mitglied im Aufsichtsrat. Mit der Initiative "Unternimm die Zukunft" setzt sich Werner für ein bedienungsloses Grundeinkommen in Deutschland ein und gilt als einer der Ersten, der öffentlich für das Konzept geworben hat.

Das Interview führte Nicolas Martin