Griechische Wirtschaft skeptisch
23. Juni 2015Es war ein geradezu dramatischer Aufruf, den Griechenlands Wirtschaftsverbände unlängst an Ministerpräsident Tsipras richteten. Er solle eine Vereinbarung mit den Kreditgebern treffen und das "Gleichgewicht des Schreckens" beenden. Vorsorglich warnten die Unternehmer vor neuen Steuererhöhungen und Sonderabgaben. Sie würden sich negativ auf Firmen, Beschäftigung und damit auf die Wirtschaft insgesamt auswirken.
Weitere Betriebsschließungen befürchtet
Seit Montagnacht liegen nun die neuen Reformvorschläge der griechischen Regierung vor - sie bestehen vor allem aus Kürzungen, zum Beispiel bei Renten und bei Rüstungsgütern sowie aus Steuererhöhungen. Die griechische Wirtschaft empfindet sich als Leidtragende des Reformpaketes. Die Steuer für Unternehmensgewinne soll von 26 Prozent auf 29 Prozent erhöht werden. Auf Jahresgewinne von über 500 Millionen Euro will die Regierung in Athen eine Sondersteuer von 12 Prozent erheben. Und auch der Mehrwertsteuersatz für Cafés, Restaurants und Hotels soll steigen: angeblich auf 23 Prozent.
Sosehr man sich als Wirtschaft eine Vereinbarung mit den Kreditgebern gewünscht habe, "diese Steuererhöhungen werden die Konjunktur stark hemmen" ist sich Kostas Michalos sicher. Der Präsident des Dachverbands der griechischen Industrie- und Handelskammern (ESEE) sieht als Opfer der Maßnahmen vor allem die kleineren Betriebe. Sie hätten nicht nur höhere Steuern zu erwarten, sie müssten auch die Steuervorauszahlungen zu hundert Prozent leisten. Wie er der Deutschen Welle sagte, werde das zu mehr Unternehmenspleiten führen. Schon jetzt gehen einer Studie zufolge täglich 600 Betriebe in die Insolvenz. Statt der angedachten Maßnahmen solle die griechische Regierung die Kreditgeber davon überzeugen, dass die Bekämpfung der Schattenwirtschaft und ein besser funktionierendes Steuereinnahmesystem mehr Geld in die Kassen spülen würde.
Tourismus am Ende?
Das ist auch die Meinung von Andreas Andreadis, Präsident des Verbands griechischer Tourismusunternehmen (SETE). Was nütze es, Steuern zu erhöhen, wenn sie nicht eingenommen werden könnten, sagte er der Deutschen Welle. Rund 40% der Mehrwertsteuer würden nicht entrichtet. Andreadis fällt es auch schwer zu glauben, dass die griechische Regierung einen Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent für das Hotel- und Gaststättengewerbe akzeptiert haben könnte. Wenn doch, "dann wäre dies das Ende des griechischen Tourismus." In diesem Fall sei er nämlich nicht mehr wettbewerbsfähig. Die unmittelbaren Konkurrenten hätten wesentlich geringere Steuersätze im Tourismussektor: die Türkei habe 8 Prozent, Italien, Spanien und Frankreich 10 Prozent und Zypern 9 Prozent. Schon 13 Prozent, wie es im ursprünglichen Vorschlag der Regierung an die Kreditgeber hieß, seien das Maximum dessen, was der griechische Tourismus vertragen könne. Der SETE-Chef kann nicht verstehen, weshalb EU, EZB und IWF auf einen Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent bestünden. Der Tourismus sei doch der einzige Wirtschaftszweig des Landes, der Einahmen und Wachstum generiert.
Kein deutsches Investment in Sicht
Große Zweifel an den positiven Effekten des Maßnahmekatalogs, der zwischen der griechischen Regierung und den Kreditgebern verhandelt wird, hat auch Thanassis Syrianos. Seine Umsetzung werde die Attraktivität Griechenlands für ausländische Investoren kaum steigern, vermutet der Brauereibesitzer. Als Mitglied im Präsidium der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen weiß er, dass das deutsche Interesse gering ist, sich in Griechenland zu engagieren. Zwar hätten die deutschen Firmen, die schon vor der Krise im Land ansässig waren, Griechenland die Treue gehalten, aber es seien keine neuen hinzu gekommen. Die einzigen, die sich zur Zeit für Griechenland interessieren, seien internationale Hedgefonds, die mit griechischen Staatsanleihen spekulieren. Es gäbe zwar potentielle Investoren aus dem Ausland, etwa im Bereich Tourismus, aber die würden erst einmal darauf warten, dass sich die Lage stabilisiert und die griechische Regierung "vernüftige Rahmenbedingungen" schafft. Die geplanten Steuererhöhungen gehörten aus Sicht von Thanassis Syrianos sicher nicht dazu.