Griechenlands gesunkene Geburtenrate
Wie viele andere Länder in Europa leidet auch Griechenland unter einem spürbaren Geburtenrückgang - mit negativen Folgen für Wirtschaft und Renten. Die Regierung will gegensteuern, doch die Bevölkerung ist skeptisch.
Schwierige Organisation
Nicholas ist 13, seine Freunde wohnen weit verstreut. Damit er andere Gleichaltrige treffen kann, fährt sein Vater Christos Giannakidis aus dem Dorf Ormenio in Nordost-Griechenland ihn jedes Mal 50 Kilometer weit zu seinem Fußballtraining. Die Schuldenkrise des letzten Jahrzehnts hat dessen Traum von einer größeren Familie zunichte gemacht. Oft sitzt Nicholas allein zuhause und spielt Videospiele.
Fussballtraining in der Ferne
"Um heutzutage eine Familie zu haben, muss man schon ein Held sein", sagt Giannakidis am Rande des Fußballtrainings. Für ein zweites Kind fehle der Familie schlicht das Geld. Weite Teile Europas kämpfen mit sinkenden Geburtenraten, die langfristig die wirtschaftliche Entwicklung bedrohen. Griechenland ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, den Trend umzukehren.
Der Klapperstorch hat kaum zu tun
Die neuesten Zahlen zeigen, dass im Jahr 2022 die niedrigste Geburtenrate seit 92 Jahren erreicht wurde - seitdem ist keine Trendumkehr zu erkennen. Der Rückgang wird auf die Schuldenkrise zurückgeführt: Junge Leute leiden unter den Sparmaßnahmen der Regierung, viele sind inzwischen ausgewandert. Viele junge Griechen, die blieben, entscheiden sich aus finanziellen Gründen gegen das Kinderkriegen.
Keine Hochzeit und vier Todesfälle
In einigen Dörfern gab es seit Jahren keine einzige Geburt mehr. "Früher traf man sich zu Hochzeiten und Taufen, heute nur noch zu Beerdigungen" sagt die 61-jährige Chrysoula Ioannidou. Die Regierung plant neue Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenraten: Dazu gehören etwa Geldleistungen für Familien, bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen und finanzielle Anreize für künstliche Befruchtungen.
Mit dem Rollator zum Backgammon
Die Stille, die Ormenio umgibt, wird nur gelegentlich von Kirchenglocken unterbrochen, die über geschlossenen Geschäften und einem leeren Spielplatz läuten, und vom Surren der Elektromobile, mit denen ältere Männer zum Café fahren, um dort Backgammon zu spielen. Zwei Drittel der 300 hier lebenden Einwohner sind mittlerweile über 70 Jahre alt.
Panzer statt Besucher
Ein Händler im Dorf Dikaia an der Grenze zur Türkei und Bulgarien packt seine Güter auf einem Markt zusammen. Der Zug im Hintergrund brachte früher Besucher in die Region; heute liefert er Panzer in die Ukraine. Ein verlängerter Grenzzaun in der Region, der Teil der verschärften Einwanderungspolitik der konservativen Regierung ist, hält Migranten ohne Papiere aus der Gegend fern.
Kindgerechte Förderung?
Thodoris Vasiliadis ist Logopäde und organisiert Kunstworkshops für etwa 20 Kinder aus den umliegenden Dörfern. Er sagt, die Isolation habe ihre sozialen Fähigkeiten gehemmt. Das Stottern eines Jungen habe sich verschlimmert, weil er keine Freunde hatte, mit denen er reden konnte. Ein anderer verbringe seine Freizeit damit, stundenlang allein durch die leeren Straßen seines Dorfes zu radeln.
Erfolgloses Anschubsen
Die Situation von Ormenio steht sinnbildlich für viele Regionen in der EU, wo Regierungen in Staaten wie Frankreich, Italien, Norwegen oder Spanien Milliarden von Euro für kinderfreundliche Maßnahmen ausgegeben haben - oft ohne messbaren Erfolg. Sinkende Geburtenraten sind laut Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis eine "nationale Bedrohung" und eine "tickende Zeitbombe" für die Renten.