Griechenland zieht Botschafterin aus Wien ab
25. Februar 2016Nach der umstrittenen Konferenz zur Flüchtlingspolitik in Wien hat Griechenland seine Botschafterin aus Österreich zurückgerufen. Dies sei geschehen, um sich mit der Diplomatin zu beraten, heißt es im Außenministerium in Athen. Ziel sei es, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Völkern und den beiden Staaten zu bewahren.
Österreich und zahlreiche Länder entlang der Balkanroute hatten sich am Mittwoch darauf verständigt, in der Flüchtlingskrise stärker zusammenzuarbeiten und die Zahl der Neuankömmlinge zu verringern. Griechenland war nicht eingeladen, was für viel Kritik sorgte.
Viele kommen, wenige gehen
Denn an den griechischen Küsten ist kein Ende des Flüchtlingszustroms in Sicht. Insgesamt hätten in den vergangenen 24 Stunden über 7000 neue Migranten die Inseln der Ostägäis erreicht. Zugleich seien aber nur etwas mehr 1000 Flüchtlinge nach Mazedonien ausgereist, gaben griechische Behörden bekannt. Griechenlands Problem: Mazedonien als erstes Land auf der Balkanroute Richtung Norden lässt nur noch Syrer und Iraker über die Grenze und das auch nur langsam. Schlepperbanden würden aber unterdessen immer mehr Menschen aus der Türkei zu den griechischen Inseln bringen, heißt es in Griechenland.
Griechenland fürchtet chaotische Zustände durch einen Rückstau von Flüchtlingen. Beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel sagte der griechische Innenminister Ioannis Mouzalas: "Griechenland wird keine einseitigen Maßnahmen akzeptieren." Mouzalas drohte, auch Athen könne in der Flüchtlingskrise nicht abgestimmte Maßnahmen ergreifen. "Griechenland wird es nicht hinnehmen, Europas Libanon zu werden." Athen sei nicht bereit, ein großes Flüchtlingsauffanglager für Europa zu werden, auch wenn es dafür viel Geld von der EU bekomme. Mouzalas traf sich in Brüssel mit Kollegen aus Ländern entlang der Balkan-Route.
Schlepper wittern noch mehr Profit
Griechenland steht seit Monaten in der Kritik, weil über das Land aus der Türkei kommende Flüchtlinge bisher weitgehend ungehindert Richtung Norden weiterreisen konnten.
Viele Afghanen, die von Mazedonien abgewiesen wurden, verbrachten die Nacht auf zwei Plätzen im Zentrum Athens. Dort werden Kontakte mit Schleusern geknüpft, die den verzweifelten Menschen neue Routen für die Reise nach Mitteleuropa versprächen, berichteten griechische Medien übereinstimmend. Die neuen "Tarife" für Alternativwege über Albanien oder sogar versteckt in Containern an Bord von Fähren nach Italien lägen zwischen 2500 und 3000 Euro pro Kopf, sagten Migranten Reportern vor Ort.
Tsipras pocht auf vereinbarte Flüchtlingsquote
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte am Mittwochabend gewarnt, Athen werde politische Beschlüsse der EU blockieren, bis die vereinbarte Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedsstaaten umgesetzt werde. Tsipras nannte es zudem eine "Schande", dass die zehn Länder der Westbalkan-Konferenz sich am Mittwoch auf Initiative Österreichs in Wien getroffen haben - außerhalb des EU-Rahmens und ohne griechische Beteiligung. Die Westbalkanländer einigten sich unter anderem auf die wechselseitige Entsendung von Polizisten in besonders betroffene Grenzgebiete. Außerdem sollen die Kriterien für die Zurückweisung von Flüchtlingen und deren Registrierung vereinheitlicht werden.
Steinmeier fordert zusätzliche Hilfe für Griechenland
Den Ausschluss Griechenlands von der Wiener Flüchtlingskonferenz hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kritisiert. "Es ist eine Illusion zu glauben, die Regulierung ließe sich ohne Griechenland erreichen", sagte Steinmeier der in Düsseldorf erscheinenden Tageszeitung "Rheinische Post". Um die Kontrolle über den Zustrom von Flüchtlingen zu gewinnen, brauche Europa auch die Staaten an der EU-Außengrenze. "Zusammenkünfte und Entscheidungen über die Köpfe dieser Staaten hinweg werden uns einer Lösung der Flüchtlingskrise nicht näher bringen", betonte der SPD-Politiker. Europa dürfe seine Probleme nicht zulasten eines Mitgliedstaates lösen - im Gegenteil: "Im Zuge des Pakets, das wir derzeit mit der Türkei verhandeln, müssen wir auf europäischer Ebene auch zusätzliche personelle und finanzielle Hilfe für Griechenland bereitstellen", forderte Steinmeier.
Neue alte Flüchtlingsroute
Auch der Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte das österreichische Vorgehen als „Fehler“. Zur Bewältigung der aktuellen Situation bräuchten alle europäischen Staaten einander, sagte der CDU-Parlamentarier der Deutschen Welle. Das werde immer deutlicher. „Eine gemeinsame europäische Lösung bietet den einzigen Weg aus der Flüchtlingskrise.“ Kiesewetter mahnte zudem an, die Situation zwischen Libyen und Italien stärker in den Blick zu nehmen. Der Weg von der libyschen Küste werde im Frühling als Flüchtlingsroute wieder an Bedeutung gewinnen.
pab/kle/rb (afpd, dpa)